Bischoffs Iülm ist fokussiert auf den Welschen Jürg Neuenschwander, der seit Jahren als schwuler Junggeselle und Hausbesitzer die Vorzüge des Lebens im marokkanischen Tanger geniesst. Neuenschwander ist ein jovialer, zugänglicher Rentner. Man sieht ihn unter der Dusche, auf dem Markt, beim Plaudern mit der Nachbarin, beim Schmusen mit Liebhabern. Als begüterter europäischer Schwuler ist er in Tanger nicht allein. Bischoff zeigt eine Runde älterer Herren beim gebildeten Diskutieren und beim Schäkern. Später sind dieselben Männer als Teil einer Trauergemeinde mit abschweifenden Gedanken und Gesprächen auf dem Friedhof zu sehen (dazu eine Musik von Mozart, deren Wirkung sich nur mühsam entfaltet). Einzelne von ihnen werden ansatzweise porträtiert, so der Schweizer Willi mit einer Schilderung seines Wohnquartiers.
Dabei fällt der Blick auf die Wohnung von Paul Bowles; man sieht den greisen Literaten auf dem Bett, beim Einsteigen ins Auto. Man hört eine seiner Geschichten, die Bischoff als tiktionales Linsprengsel inszeniert, ähnlich wie er einige der von Neuenschwander erzählten Erinnerungen ansatzweise bebildert. So befinden wir uns in einem Schweizer Pissoir, wenn der Protagonist seine erste sexuelle Erfahrung schildert. Neuenschwanders Reden, in der Tonart stets respektvoll, liebenswürdig und etwas selbstverliebt, ist radikal offen. Es bewegt sich fliessend zwischen der unverblümten Beschreibung, der selektiven Erinnerung und einem gepflegten Räsonieren über die Sexualität und das Leben überhaupt, in welchem Intelligenz manchmal mit Indifferenz einhergeht.
Das Grunddispositiv des Films leitet sich davon ab: Die vielen Sichten auf marokkanische (Stadt-)Landschaften und Gesichter bilden den Hintergrund. Dieser wird dem Reden auf der Tonspur - es bleibt bis aut den erzählten Lebenslauf des marokkanischen Freundes von Neuenschwander weitestgehend den europäischen Protagonisten vorbehalten - untergeordnet. Der Autor, der kollegial unter ihnen weilt, gibt diese Perspektive, erweitert durch eine ständig suchende, verfängliche Details aufspürende Kamera, ohne weiteren Kommentar an die Zuschauer weiter. Darin liegt die (durchaus gesuchte) Provokation von Mon beait petit cul.
Dass Bischoff sich den reichen Rentnern zuwendet und primär die Position des ökonomisch Starken einnimmt, ist legitim. Es könnte sich daraus sogar eine Art Blick in den Abgrund ergehen, wenn die von Bischof beanspruchte Suche der Widersprüche tatsächlich eingelöst, die Berührungspunkte zwischen «Europa» und «Afrika» in ihrem ganzen Gehalt und Gewicht fühlbar würden, wenn die ganze Wahrheit der «Doktrin» von Neuenschwander sich entpuppen könnte, der sagt, das Liebe immer bezahlt werde. Der Abgrund beginnt da, wo sich Lust und Schmerz, Zukunft und Zukunftslosigkeit, die eine Kultur und die andere in ihrer ganzen Ambivalenz durchdringen. Am ehesten noch wird das in der Szene spürbar, wo Neuenschwander einen seiner Liebhaber im Gespräch darüber hinwegzutrösten sucht, dass diesem die berufliche Entwicklung versperrt ist. Oder aber dort, wo ein Bediensteter mit einem unübersetzbaren Sprachhumor sagt: «Je fais le jardin, je fais les animaux - je fais aussi Monsieur Paul.»