CAROLA FISCHER

BRANDNACHT (MARKUS FISCHER)

SELECTION CINEMA

Ein junges Mädchen ist einem Lustmord zum Opfer gefallen. Die Polizei verhaftet rasch einen Verdächtigen, den Knecht Otto Balsiger. Der ist eh nicht richtig im Kopf. Aber er ist nicht der einzige hier im Emmentaler Schwant. Dieses Dörfchen wimmelt geradezu von seltsamen bis abartigen Typen. Jeder könnte es gewesen sein; Der Expolizist und Beizenwirt, der so genüßlich lebendwarme Leber verspeist, der depressive Bauer, der nur noch für Arnos (den Gründer der hier ansässigen Sekte der Wahren Christen) lebt, sein spätpubertierender Sohn, der, im Stroh versteckt, zu Pornovideos onaniert, oder gar das spätbekehrte derzeitig amtierende Sektenoberhaupt selbst. In Buchform genossen, war diese Geschichte von Sam Jaun ein durchaus spannender, lesbarer Krimi. Die Verfilmung ist eher platt und peinlich geraten. Fischer versucht das Porträt einer Dorfgemeinschaft zu entwerfen, in der unter dem äußeren Schein der wohlanständigen Idylle die finstersten Leidenschaften und Perversionen brodeln. In diesem Sündenpfuhl herrschen Bigotterie, Heuchelei, Habgier, Lasterhaftigkeit, Neid und Eifersucht. Keller wird belogen, geschlagen, fast umgebracht, und natürlich verführt. Vordergründig geht es um fehlgeleitete Triebe, und am Schluß entpuppt sich das Ganze als abgefeimte Intrige der Dorfhonoratioren, um ein Stück Land zu behändigen, das für den lokalen Bebauungsplan entscheidende Bedeutung hat. Obwohl eine Reihe namhafter Darsteller agieren, gerät fast jede Figur zur Karikatur, vom süffisanten Gemeindeschreiber bis zum faschistischen Dorfpolizisten, vom Dorfdeppen-Zwillingspaar bis zum dämonischen Totengräber. Bedrohlich wirkt in diesem helvetischen Twin Peaks niemand, aber auch nicht wirklich schräg oder gar bizarr. Nur ein bißchen komisch, so wie Barbara Auer, wenn sie Bruno Ganz in der Wohngemeinschaftsküche ihr Hemd anbietet, es einfach auszieht und ohne Büstenhalter da steht. Genau! So stellt sich Frau Hugentobler aus Merenschwand eine WG vor. Der Regisseur wird zum Opfer seiner eigenen Klischees.

Carola Fischer
geb. 1949, cinephile Germanistin, arbeitet in der Dokumentation „Wort“ des Schweizer Fernsehens DRS.
(Stand: 2019)
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