PAULE PAULÄNDER

FILOU (SAMIR)

SELECTION CINEMA

Ich liebe Filou, den Film. Ich bin gefangen von der Erzählung und von der Erzählweise dieses Films. Das Tempo, die Schnittvielfalt, die Bilder und die Sichtweise sind nicht nur spannend und wunderschön, sondern sie entsprechen auch eigener und mit Freunden und Freundinnen geteilter Erfahrung, sowohl im Blick zurück im Zorn wie auch heute und danach. Und noch etwas zu Tempo und Schnitt: Sie ermöglichen auf den Alltag präzise einzugehen, ohne belehrend zu wirken, und etwas entsteht nie, was wir im Schweizer Film zu oft erlebt haben: Langeweile. Ich bin verzaubert von der Langstrasse und kann mich mit den Menschen, die da leben, identifizieren. Ich erkenne den Filou (Werner Haitiner) wieder. Ich lache mit ihm und über ihn, und ich bin traurig mit ihm oder wegen ihm. Ich liebe Lizzy (Marianne Schmid) und bewundere sie.

Filou ist ein Film mit wahren Gefühlen, ein Film, der einen mitnimmt und nicht mehr loslässt, der Geschichten erzählt und Geschichte in sich hat.

Filou trifft das Lebensgefühl einer Gruppe von Menschen und definiert es neu, treibt es weiter. Der Film kann dieses Lebensgefühl auch weitervermitteln, anderen näher bringen und verständlich machen. Filou ist ein Argument dafür, warum es richtig ist, aus dem Leben der Menschen Kinofilme zu machen. Darin hat sich Samir von Kurt Früh zu Recht inspirieren lassen, und er dankt es ihm mit einer liebevollen Hommage im Verlauf des Films.

In Filou zerschmettern Fernsehapparate auf der Strasse. Und es tut gut, diese Kisten zerschmettern zu sehen, obwohl wir dann doch immer wieder in die Röhre gucken. Aber auch Filou guckt dann und wann in die Röhre, zum Beispiel mit seiner Spionagegeschichte, für die er Lizzy im Stich lässt.

In Filou finden sich ältere bekannte Schweizer Filmschauspieier und neuentdeckte. Und alle fühlen sich zu Höchstleistungen angestacheit. Sorgfältig ausgewählte Bildeinschube teilen die Filmerzählung in Kapitel ein. Uber die Bilder eines kleinen Pinguins, der zu rennen versucht aber immer wieder strauchelt, habe ich mehr gelacht als in einem ganzen Film mit Max Rüdlinger. In Filou gibts Action und Reaction, Revoluzzer und Schmier, Subversives und Lustiges, Kunst und gute alte Soulmusik.

Filou weist darauf hin, dass es wohl nicht so sehr auf die grossen Pläne und utopischen Entwürfe ankommt, sondern darauf, was wir für uns und andere tun und erleben, und was nicht.

In Filou gibt es ein Café, wo sich alle immer wieder treffen, und dahin möchte man nachher jeden Tag gehen, denn Tage, die keine Filoutage sind, scheinen verlorene Tage.

Paule Pauländer
ist Dokumentarist, Musiker und Kinogänger in Zürich. Ehemaliger Mitherausgeber des CINEMA.
(Stand: 2019)
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