CYRIL THURSTON

DIE SINKENDE ARCHE (BERNHARD LEHNER, KONRAD WITTMER)

SELECTION CINEMA

Der Schweizer Maler Jürg Kreienbühl ist ein Künstler der alten Garde. Er versteht seine Kunst als Handwerk, als Instrumentarium zur naturgetreuen Abbildung einer schon bestehenden Realität. Zwar ist es kein stures, verkrampftes Reproduzieren; gewisse Freiheiten nimmt sich der Maler schon heraus. So bestimmt er das Sujet, den Blickwinkel, die Farbgewichtung. Doch hat das Endprodukt eine klare Aufgabe, es soll den realen Gegenstand gefühlsmässig und inhaltlich so genau wie möglich wiedergeben. Abänderungen und Verfremdungen dienen einzig und allein dem Zweck einer verdeutlichenden Wiedergabe, einer Konzentration auf das Wesentliche.

Diese Methode einer Widerspiegelung der Realität liegt auch dem gelungenen Film von Bernhard Lehner und Konrad Wittmer zugrunde. Sie zeigen nur, was vorhanden ist: Einen Maler, der ein dem Untergang geweihtes zoologisches Museum im Jardin des Plantes von Paris malt. Vom hundertsten bis zum tausendsten Detail stellt Kreienbühl in verschiedenen Sujets das altertümlich und verstaubt wirkende Museum mit all seinen ausgestopften Tieren, vom Elefanten bis zur Ratte, von exotischen Schlangen bis zu den skurrilsten Schmetterlingen, dar. Alle diese wohl der Wissenschaftsgeschichte angehörenden Utensilien sollen nun (oder sind es grösstenteils schon) in einem bunkerartigen, unterirdischen Betonbau sauber archiviert werden. Der Glasstahlbau aus dem 19. Jahrhundert, mit all seinen Nischen, Galerien, zahllosen Glasschränken und geheimnisvollen Schubladen, der übrigens schon Chris Marker für La Jetée als Kulisse gedient hat, soll endgültig verschwinden.

Der Film fängt mit ruhigen Bildern, langsamen Fahrten die Stimmung dieser so isoliert gesehenen, absurden Tierwelt ein, die umgeben von dieser wuchtigen und doch so feingliedrigen Architektur erst recht zur Geltung kommt.

Der Film zeigt auf, stellt dar. Er interpretiert nicht, wertet nicht. Es ist dem Zuschauer überlassen, allfällige Schlüsse zu ziehen. In dem Sinn ein klassischer Dokumentarfilm.

Cyril Thurston
geb. 1957, seit 1982 für die Programmierung des Kinos Xenix in Zürich mitverantwortlich, Mitarbeiter des Filmfestivals Locarno 1987/88, hat verschiedene Kurzfilme realisiert und ist seit 1991 mit einer Senegalesin verheiratet.
(Stand: 2019)
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