«Nach jahrelangen Bemühungen haben wir endlich vom Schweizerischen Lichtspieltheaterverband die Spielfilmbewilligung erhalten», verkündete der Basler Filmklub Le Bon Film 1957 seinen Mitgliedern. Diese jahrelangen Bemühungen waren eine Pionierleistung für die alternative Filmarbeit in der Schweiz. Die Bewilligung für den Bon Film war zwar nicht das erste bedeutende Ereignis der langen, mühsamen, und wie sich immer wieder zeigt, noch lange nicht abgeschlossenen Arbeit an einem «anderen Kino». Andere Pionierleistungen liegen noch weiter zurück, so versuchten etwa die Schweizerische Arbeiterbildungszentrale und das Schweizerische Schul-und Volkskino schon in den zwanziger Jahren, dem Kino als Traumpalast entgegenzuwirken, und nach dem Zweiten Weltkrieg begannen auch die evangelisch-reformierte und die katholische Kirche sich vermehrt um den «wertvollen» Film zu kümmern. Die Bewilligung für den Bon Film, oder besser, die Bemühungen um diese Bewilligung, zeigen aber mit aller Deutlichkeit eine Schwierigkeit, mit der sich nicht nur die Pioniere alternativer Filmarbeit auseinandersetzen mussten, sondern später auch die unabhängigen Spielstellen: das ständige und oft erfolglose Anrennen gegen die Filmwirtschaft, gegen das «grosse Kino», die jedem Versuch, «anderes Kino» zu machen, zutiefst misstrauisch begegnet. Die Haltung der Filmwirtschaft ist widersprüchlich, denn einerseits will sie, was sie ja selber oft behauptet, auch den «guten» Film fördern, andererseits bindet sie der alternativen Filmvermittlung, die diesem «guten» Film im Kino sicher nur nützen kann, Hände und Füsse. Dass die Arbeit der Unabhängigen von vielen Kinobesuchern noch zu wenig berücksichtigt wird, ist aber nicht allein mit der starren Haltung der Filmwirtschaft zu begründen. So wie im neuen Schweizer Film zu viel vom mangelnden Geld gesprochen wurde und zu wenig von den Filmen, so sprachen die Unabhängigen zu viel von den Behinderungen ihrer Arbeit und zu wenig von ihrer Programmation. Nicht wenige Kinobesucher wagen den Besuch unabhängiger Spielstellen oder Filmklubs gar nicht, weil sie meinen, dort als Unerfahrene und Unwissende erkannt zu werden. Die Unabhängigen sollten sich viel intensiver darum bemühen, ihren schlechten Ruf als elitäre Cinéphilenzirkel abzubauen. Das Titelbild dieser vorliegenden Nummer wurde von einem 8-jährigen Mädchen gezeichnet. Auch wenn die alternative Filmarbeit eine mühsame und oft erfolglose ist, darf sie nicht abgebrochen werden. Denn allein die Hoffnung, dass dadurch die Kinder von heute Morgen in ein Kino gehen können, das sie nicht betäubt, sondern anregt, zeigt, wie über aus wichtig diese Arbeit ist. Bernhard Giger

CINEMA #24/1
KEIN KULT DER ZERSTREUUNG