Wie frei ist «frei»? Auch in dieser Nummer von CINEMA fällt das Stichwort «Freies Filmschaffen». Wie frei ist das «Freie Filmschaffen?» Der Spielfilm, der oft beträchtliche Investitionen einzuspielen hat, muss ins Kino. Doch das Kino ist besetzt. Wenn der Schweizer Spielfilm sich in die Reihe der rund 400 jährlich importierten Kinofilme stellen will, muss er Ansprüchen, die auch an diese gestellt werden, genügen. Wenn Schweizer Spielfilmautoren nicht den internationalen Standards nachjagen, sind sie schon verloren. Die Freiheit eines kleinen Landes, das weder über eine dynamische Filmwirtschaft noch über eine überzeugte Filmförderung verfügt, ist die Freiheit sich anzupassen. Je perfekter die Anpassung, desto grösser die Aussicht, einen Wettbewerb, den man nicht gesucht hat, zu bestehen. Ist der Dokumentarfilm freier? Insofern er in der Regel nicht so grosse Investitionen wieder einzubringen hat, bestimmt. Auch sind die Konventionen des Fernsehens nicht so starr wie die des Kinos, (wenn die Programmveantwortlichen ihr Auge nicht allzu starr auf die Konso-Zahlen gerichtet haben). Neben dem Kino und dem Fernsehen gibt es für den Dokumentarfilm einen weniger konditionierten, übrigens noch stark ausbaufähigen, freien Markt; er reicht vom Kirchgemeindesaal bis zu Projektionen auf Hausmauern. Wir haben diese Nummer unserer Zeitschrift auf den Dokumentarfilm ausgerichtet, weil wir gegenüber allen Standards skeptisch sind. Wir haben keinen Grund, Aussenlenkung zu akzeptieren. Wir danken June Kovach und Alexander J. Seiler für ihre Mithilfe an dieser Nummer: für Erklärungen, Auskünfte, für ihre freien Filme. Martin Schaub

CINEMA #23/1
DIE FRÜCHTE DER ARBEIT – ALEXANDER J. SEILER