Die Wiederentdeckung der Geschichte Die meisten Beiträge in dieser Cinema-Nummer handeln auf die eine oder andere Weise von der Jüngern Schweizer Geschichte, sei’s, könnte man formulieren, von der Filmgeschichte (die Artikel von Felix Aeppli und von mir), sei’s von der Geschichte im Film (die Rezensionen der Filme von Dindo/Meienberg und Koerfer). Das Phänomen scheint sich in der Tat jetzt durchzuziehen durch Literatur, Journalismus, Film, dieses sich Zurückwenden, um zu begreifen, was damals geschehen ist, 1933 bis 1945 (jetzt ganz besonders gefragt, schon fast wieder eine Mode), aber auch vorher und nachher, selbst zur Jahrhundertwende in der literarischen Brechung. Es wäre verkehrt, darin Intellektual-Nostalgie zu erblicken, vielmehr gut es zu erkennen, dass die Nostalgiewelle eben nur das Oberflächenphänomen, die seichte Wiederspiegelung einer viel mächtigeren und tieferen Bewegung ist, die man, mit einem unzulänglichen und etwas klischierten Ausdruck, die Wiederentdeckung der Geschichte nennen könnte. Und diese wiederum hat zu tun damit und ist die Folge davon, dass das im weitesten Sinne kritische, das heisst gerade historische Denken (nach Jahrzehnten faschistischen und militant antikommunistischen Exorzismus’) wieder Einfluss auf die Geister in Westeuropa gewinnt, nicht allmählich und gleichmässig, sondern oft sprunghaft und unter Rückschlägen. Wir werden davon ohne Zweifel noch mehr haben, auch und gerade in Cinema. Pierre Lachat

CINEMA #22/1
ALTER UND NEUER SCHWEIZER FILM