SARAH STUTTE

OUT OF UGANDA (ROLANDO COLLA, JOSEF BURRI)

Philip ist schwul. Deswegen flüchtete er aus seinem Heimatland Uganda über das Meer in die Schweiz. In Zürich erzählt er, wie er in einer kompromittierenden Situation entdeckt, verprügelt und misshandelt wurde. Heute ist Philip auf einem Ohr taub. Bevor der Mob ihn lynchen konnte, verhaftete ihn die Polizei. Ein Anwalt holte ihn aus dem Gefängnis und riet ihm, das Land zu verlassen. Seine Mutter hat ihn seitdem nie mehr wiedergesehen. Sie vermisst ihn.
 
Auch Lynn lebt nun in einem Schweizer Dorf. Sie fürchtete sich als lesbische Frau in Uganda ständig vor Gewaltübergriffen. «Die Menschen dort haben solche Angst vor dem Andersartigen, dass sie darauf mit Hass reagieren», sagt sie. Sie fühlt sich hier wie dort verloren. Genauso wie der bisexuelle Hussein, der in seiner ostafrikanischen Heimat verheiratet war, weil es «der Norm entsprach».
 
Dann fand seine Frau heraus, dass es Hussein ebenfalls zu älteren Männern hinzog. Er verlor dadurch mehrere Jobs und floh, weil er es nicht mehr aushielt. In der Schweiz wartet er auf seine Aufenthaltserlaubnis. Er wünscht sich ein normales Leben, in dem er sich akzeptiert fühlt. Die Transperson Shammy lebt dagegen immer noch in Uganda und schlägt sich dort als Sexarbeiterin durch. Ausserhalb ihrer Unterkunft für LGBTQ*-Personen ist sie schutzlos.
 
Die vier Protagonist_innen bilden das Herzstück der Dokumentation von Rolando Colla (Summer Games, 2011) und Josef Burri. Das Filmprojekt wurde durch Queeramnesty Schweiz initiiert, um die Geschichten von ugandischen Asylsuchenden zu beleuchten. Das Setting wechselt von den afrikanischen Flussufern zu einem winterlichen Schweizer See oder in die bunte Welt der Pride im städtischen Zürich. Die beiden Regisseure lassen ihre Protagonist_innen durch die verschiedenen Szenerien laufen. Einsam sind sie alle unterwegs.
 
Neben den Betroffenen und ihren Angehörigen kommen in Uganda Priester zu Wort, die als Teil einer evangelikalen Untergrundbewegung queere Menschen regelrecht jagen. Einer der wenigen Geistlichen mit einer anderen Meinung sagt: «Das wahre Problem in der Welt ist der Mangel an Wissen. Die menschliche Sexualität dient nicht nur der Fortpflanzung, sondern auch der Geselligkeit.» Hoffnungsvoll stimmt auch die Arbeit des Leiters eines Obdachlosenheims für LGBTQ*-Personen sowie die einer engagierten Rechtsberaterin.
 
Out of Uganda ist ein intimer Blick in das Leben von queeren Menschen, die in ihrem Land öffentlich gebrandmarkt werden und dort wie auch in der Ferne versuchen, ein Gefühl von Heimat und Sicherheit zurückzuerlangen.
Sarah Stutte
*1977, studierte Journalistik, Literarisches Schreiben und Drehbuch in Zürich. Schreibt für zahlreiche Print- und Onlinemagazine im In- und Ausland sowie Booklet-Texte für deutsche Labels. Seit 2015 Mitglied des SVFJ. Jury NIFFF 2015, ZFF 2017, Black Movie Genf und
Locarno 2022. Festes Mitglied im Team des Kino Nische Winterthur.
(Stand: 2022)
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