JACQUELINE MAURER

LIMITES (SIMON DE DIESBACH)

Am Anfang steht ein kleines Foto einer Kiesgrube auf schwarzem Bildgrund. Es wird durch ratternden Maschinenlärm animiert. Simon de Diesbach beschäftigt sich in seinem Kurzfilm limites mit seiner analogen und digitalen Beziehung zu einem realen Wald im freiburgischen Chenay, den er in seiner Jugend als Jogger durchstreift hat, und der nun durch die fotografisch festgehaltene Kiesgewinnung zerstört wird.
 
Vielleicht sorgte ja das Kies, französisch «grain», für eine künstlerische Eingebung, denn «grain» steht auch für die Bildkörnung im analogen Film. Aus lauter Körnern oder Kugeln besteht denn auch der digitale Wald, den Simons Alter Ego – eine Gestalt, die aus einem Gerüst besteht und durch eine atmende Kugelwolke belebt wird – rennend, laut und sichtlich keuchend über die Jahreszeiten hinweg durchquert. limites beeindruckt durch seine audiovisuelle Atmosphäre als Kombination aus visueller Künstlichkeit und durch die nicht nur realistischen Sounds, die eine scheinbar plastische Körperlichkeit generieren. Der Animationsfilm macht uns nichts vor: Wiederholt zeigt er uns buchstäblich die Grenzen der digital geschaffenen Welt auf, indem wir sie beispielsweise von unten betrachten oder dann, wenn ihre Ränder schwarz umrissen sind. Da ist auch ein Exkurs ins Wohnzimmer, worin in einer Gaming-Szene die Verrücktheit deklariert wird, dass die künstliche Welt «besser als die wahre» erscheint. Und auf symbolischer Ebene trifft die mentale Imagination bei einer fantastischen Begegnung mit einem Reh auf die durch Computertechnologie erfahrbare, aber zugleich entzaubernde Möglichkeit, traumhafte Bilder zu erschaffen. Das Werk ist durchdrungen und wird getragen von einer Selbstreflexion, die widerspiegelt, was De Diesbach während dem künstlerischen Prozess und beim zeitintensiven Prozessieren der Unmengen an Daten, die der 3D-Laserscanner im realen Wald produziert hat, klar wurde: Seine Beziehung zu «seinem Wald» erwies sich als absurd, da er diesen stärker am Computerbildschirm beobachtete als vor Ort. Damit steht der Filmkünstler nicht allein da, sondern greift ein verbreitetes Phänomen auf, dessen limites er in weiteren Darstellungsmodi austesten will. Simon de Diesbachs Arbeit oszilliert zwischen einer Liebeserklärung an «seinen» Wald und einer genauso kritischen wie kreativen Auseinandersetzung mit den immer potenter werdenden bildgenerierenden Werkzeugen. Ebenso zeigt er das Potenzial des Kurzfilms auf, in realen Räumen auch jenseits des Kinosaals Wirkung zu entfalten.
Jacqueline Maurer

(Stand: 2022)
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