THOMAS HUNZIKER

DER FILM VOM PROPELLERMANN

Filmstudenten haben es nicht einfach. Einerseits werden sie beneidet, weil beim Stichwort Film schnell die Verbindung mit der Traumfabrik Hollywood hergestellt wird. Andererseits müssen sie zum Abschluss des Studiums ihre Kreativität unter Beweis stellen und einen Film abliefern. Das kann schon ganz schön anstrengend sein. Und als Idee für einen solchen Abschlussfilm dienen. So zeigt Johannes Bachmann in seinem eigenwilligen Kurzfilm Der Film vom Propellermann wie sich die Entstehung eines Abschlussfilms gestalten könnte.
 
Protagonist ist Josef (Julian Boine), ein Träumer und Tunichtgut, der zu Beginn des Films zusammen mit seinem Bruder Egon (Roger Bonjour), dem Antagonisten, bei der Beerdigung ihrer Mutter gezeigt wird. Bei der Räumung der Wohnung der Verstorbenen stösst Josef auf die Propellermütze seines Grossvaters, die er sofort ausprobiert und perfektionieren möchte. Gleichzeitig wird von der schwierigen Entstehung des Films erzählt: Johannes Bachmann spielt als Claudius einen Studenten an der Zürcher Hochschule der Künste, der mit seinem Abschlussprojekt nicht wirklich vorankommt. Sehr zum Kummer seines Mentors (Max Rüdlinger).
 
Regisseur Johannes Bachmann präsentiert mit Der Film vom Propellermann ein cleveres Schelmenstück, in dem er die intellektuelle Selbstverliebtheit eines Woody Allen und die verträumte Fantasie eines Tim Burton vermischt. Bachmann schildert die Schwierigkeiten bei der Entstehung eines Spielfilms und wirkt dabei gleichzeitig als erster Kritiker der von ihm entworfenen Geschichte, deren Dramaturgie nicht bei allen Mitarbeitern auf Begeisterung stösst und die er selber auch nicht konsequent verteidigen kann.
 
Die Mischung zwischen Komödie und melancholischem Drama entwickelt dabei schon fast die Wirkung eines Thrillers. Auf der einen Seite fiebert man mit dem Propellermann mit und fragt sich, ob seine Flugkünste nur Einbildung sind. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob der strauchelnde Jungregisseur Claudius die Hindernisse bei den Dreharbeiten mit dem knappen zeitlichen und finanziellen Budget überwinden kann. Besonders reizvoll an diesem gewagten Hybrid sind die Kontraste zwischen den beiden Scheinwelten, die dazu anregen, die Entscheidungen des Filmemachers zu hinterfragen. Charmant und verspielt karikiert Bachmann dadurch die Erwartungen an einen Studentenfilm. Als er gegen Ende gefragt wird, was den die Aussage seines Films ist, kann er nur mit einem betretenen Schweigen antworten. Darauf folgt die vielsagende Frage: «Oder ist es einfach eine Komödie?» Das Kunststück von Bachmann ist es, dass sein Abschlussfilm mehr als ‹einfach› eine Komödie ist.
Thomas Hunziker
*1975, Studium der Filmwissenschaft, Anglistik und Geschichte an der Universität Zürich. Er arbeitet als Radiologiefachmann und betreibt das Filmtagebuch filmsprung.ch. Mit seiner Partnerin und zwei Kindern lebt er in Schaffhausen.
(Stand: 2021)

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