CORINNE GEERING

S’BLOCH – EIN LEBENDIGER BRAUCH IM APPENZELLERLAND (THOMAS RICKENMANN)

SELECTION CINEMA

Jedes Jahr ziehen im Frühling Gruppen von Männern und Jungen ein dekoriertes Rundholz durch das Appenzell. S’Bloch erzählt eine Geschichte von ländlichen Gemeinden, von männlicher Kameradschaft und von einem ungewöhnlichen Brauch, den sich im Film niemand so recht erklären kann. Nach Silvesterchlausen (2011) widmet sich der Dokumentarfilmer Thomas Rickenmann erneut dem Brauchtum und der Landschaft des Appenzells. Er begleitet die Blochgesellschaften und Bubenblochs bei den ausgefeilten Vorbereitungen und dem mehrere Dutzend Kilometer umfassenden Umzug und gibt damit einem grösseren Publikum Einblicke in eine ansonsten geschlossene Gemeinschaft.

Dass Rickenmann seinen Weg zum Film damals über Landschaftsaufnahmen gefunden hat, ist hier unschwer zu erkennen. Immer wieder werden die Aufnahmen der Vorbereitungen des Blochs unterbrochen von langen, teils störenden Drohnenflügen, die in Nebel gebettete Landschaften zeigen und mit Tonaufnahmen von Naturjodel unterlegt sind. Zu Beginn des Filmes sieht man Mitglieder der Blochgesellschaft Urnäsch, wie sie einen Baum fällen, Schnaps trinken, singen und Cervelats bräteln. Über den Film hinweg folgt man vier Gesellschaften bei den komplizierten Vorbereitungen und erfährt, wie die Aufgaben innerhalb der Gesellschaften organisiert sind. So entscheidet beispielsweise der Bubenbloch Hundwil mit einem Wettrennen und Wettzauren darüber, wer beim Umzug wo mitlaufen darf. Daneben erzählt eine ehemalige Lehrerin mehr über die Entwicklung des Brauchs, die mit den Buben Anfang der 1960er-Jahre einen eigenen Bloch am Beispiel der Nachbarsgemeinde organisierte. Sie ist eine der wenigen Frauen, die in S’Bloch zu Wort kommen.

Rickenmanns Kamera fokussiert auf die Erzählung der Blochmitglieder und es gelingt ihm, dabei die dynamische Entstehung und die komplizierte Gestaltung des Brauchtums zu zeigen. Dass niemand den Sinn des Blochs erklären kann, ist erfrischend und lenkt den Fokus auf das Gefühl der Gemeinschaft, das in den Interviews mit Mitgliedern der Gesellschaften immer wieder betont wird und sich in den geröteten Gesichtern der in Edelweisshemden gekleideten Männern widerspiegelt. Erstaunlicherweise wird das Geld aber kaum thematisiert, das am Ende des Umzugs unter den Teilnehmern verteilt wird: sei es von der Versteigerung des Blochs am Ende des Umzugs, der darauffolgenden «Bartabhauet», der Versteigerung einer vor Ort geprägten Silbermünze oder der Bussenliste. Es wäre spannend gewesen, die weiteren Beteiligten des Brauchtums – von den Käufern des Blochs bis zu den Frauen der Gemeinde, welche die Männer schminken und bewirten – nicht erst am Ende, sondern von Beginn weg Teil der Erzählung sein zu lassen.

Corinne Geering
*1987, dr. phil., studierte Philosophie (BA) und World Arts (MA) in Zürich, Bern und Prag. Promotion in Gießen. Lebt in Leipzig.
(Stand: 2021)
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