BERNADETTE KOLONKA

ANATOMIE DE L’ENFER VON CATHERINE BREILLAT (FR 2004)

MOMENTAUFNAHME

Man sieht eine Frau, nackt im Bett, mit weissen Laken – ihr gegenüber ein Mann. Sie fordert ihn auf, an ihrem OB zu ziehen. Er zieht das blutige OB aus ihrer Vagina und betrachtet es. Die Frau greift danach, umfasst es mit ihren Fingern und hält es vor sich. Radikal subjektiv taucht sie schliesslich das OB schamlos in das Wasserglas. Und das Rot des Blutes bleibt zurück, breitet sich aus und verunreinigt das pure, reine Wasser. Welch eine Befreiung. Schonungslos und die Last der Scham befragend, wird die weibliche Sexualität im Filmbild erforscht. Der Frauenkörper tritt dabei in seiner Ganzheit auf, statt nur in fetischisierte Einzelteile zu zerfallen, spielt mit den auf ihm lastenden Projektionen, statt sie nur zu tragen, und wird in der ganzen verstörenden Widersprüchlichkeit des Begehrens sichtbar. Die weibliche Hauptfigur begibt sich auf die Suche nach der eigenen Sexualität und Lust: Das tut weh, ist sanft, unschön, wunderschön, intim, explizit, abgründig, passiv, aktiv, brutal, zerbrechlich, obszön, schmerzvoll, zärtlich, skandalös.

Bernadette Kolonka
*1985, Studium der Fotografie an der Hoch- schule für Grafik und Buchkunst, Leipzig und anschließend Studium Spielfilmregie BA und MA an der Filmuniversität Babelsberg. Neben der Realisation von Kurzfilmen, arbeitet sie als Casterin für Laiendarsteller_innen: für Wes- tern, Valeska Grisebach, Komplizen Film. Sie ist aktiv in verschiedenen Kollektiven und Ver- einen zu Gender & Diversity im Film: Babels- berger Salon, feministisches Filmkollektiv f/9 und Vorstand SWAN. Seit 2019 ist sie Fellow an der Zürcher Hochschule der Künste und arbeitet dort an ihrem künstlerischen For- schungsprojekt zu Unsichtbarkeit/Sichtbarkeit diverserer Genderdarstellungen im Spielfilm.
(Stand: 2021)
[© cinemabuch – seit über 60 Jahren mit Beiträgen zum Schweizer Film  ]