THOMAS HUNZIKER

SIGNS

2011 wurde Dustin Rees am Fantoche für seinen Animationsfilm Borderline, in dem ein Grenzwächter versucht, sein ödes Leben zu beenden, mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Ebenfalls ziemlich trist ist das Leben der beiden Hauptfiguren aus seinem aktuellen Werk Signs. Im Zentrum steht ein Elektriker, der in der Nacht dafür sorgt, dass die Leuchtschilder in der Stadt in Betrieb sind. Morgens schleppt er sich müde in seine Wohnung, wo er aus seinem Arbeitsoverall schlüpft und sich neben seiner schlafenden Partnerin ins Bett fallen lässt. Die wacht wenig später auf, faltet seinen Overall und bereitet sich auf ihren Arbeitstag vor.
 
Wie schon Borderline ist auch Signs ein Film, der nicht gerade vor Lebensfreude überschäumt. Vielmehr herrscht eine leicht betrübte, melancholische Stimmung. Die beiden Hauptfiguren benutzen zwar den gleichen Raum, sogar das gleich Bett, dennoch sehen sie sich nie, sind durch Tag und Nacht voneinander getrennt. Sie führen ein ebenso trauriges Dasein, wie der suizidale Grenzwächter aus Borderline. Auf den ersten Blick sieht es sogar so aus, als ob es sich beim Elektriker um die gleiche Figur handelt. Der Elektriker erinnert nämlich bezüglich der Gestalt, der Frisur, unterdessen ergraut, und ausserdem des unverkennbaren Schnauzbarts sehr stark an den Grenzwächter, dem ein Berufswechsel sowieso gut anstehen würde. Diese Ähnlichkeit von der Erscheinung her kann daran liegen, dass Rees seine Bilder ziemlich minimalistisch gestaltet – allerdings doch nicht so reduziert, dass diese Ähnlichkeit nicht durchaus beabsichtigt ist.
 
Für die Gestaltung hat Rees ein strenges Konzept umgesetzt, das inhaltlich und formal überzeugt. Alle Szenen sind in der Totalen aufgenommen, das Schlafzimmer stets immer aus der gleichen Position. Das Schlafzimmer ist zudem formal durch einen schwarzen Rahmen eingeengt, einem Gefängnis oder einer Schlafschachtel gleich, die nur mit geschlossenen Augen betreten werden darf. Eine Veränderung kommt erst in den monotonen Alltag des Paares, als die Frau mit einer Kiste mit Büromaterial nach Hause kommt und offensichtlich keinen Grund mehr hat, zur Arbeit zu gehen. Erst in der übernächsten Nacht realisiert der Mann, welchen Lichtschalter er für die Erleuchtung seines Lebens umkippen muss.
 
Dustin Rees hat wieder ein einfühlsames Werk über die manchmal fast unüberwindbare Einsamkeit des urbanen Lebens geschaffen, das mit einfachsten Mitteln eine emotionale Bindung erzeugt. Das Publikum am Fantoche 2020 konnte er damit begeistern, so dass er auch für Signs den Publikumspreis entgegen nehmen durfte.
Thomas Hunziker
*1975, Studium der Filmwissenschaft, Anglistik und Geschichte an der Universität Zürich. Er arbeitet als Radiologiefachmann und betreibt das Filmtagebuch filmsprung.ch. Mit seiner Partnerin und zwei Kindern lebt er in Schaffhausen.
(Stand: 2021)

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