THOMAS HUNZIKER

ANALYSIS PARALYSIS (ANETE MELECE)

SELECTION CINEMA

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Diese Redewendung kann als Leitgedanken für den kurzen Animationsfilm Analysis Paralysis von Anete Melece dienen. Die Hauptfigur ist ein Mann, der jeden Tag mit seinem Hund in den Park geht und auf einer Bank sein Schachbrett aufstellt. Mitspieler findet er allerdings keine. Dafür belasten ihn die Beobachtungen, die er dort macht. Jedes Mal, wenn ihn ein Gedanke, eine Erinnerung oder ein Traum plagt, wächst nämlich sein Gehirn, und der Kopf droht zu platzen. Das geschieht besonders oft im Supermarkt, wo er sich zwischen Hundefutter mit den Namen «Smart Dog» und «Happy Dog» entscheiden muss. Möchte er nun, dass sein Hund glücklich ist oder dass er mit ihm Schach spielen kann? Ebenso schwer fällt ihm die Wahl zwischen dem Hühnerflügel, den er täglich ist, und der gesünderen Alternative Broccoli oder Fisch.

Wie schon in ihrem letzten Werk The Kiosk (CH 2013) beschäftigt sich Regisseurin Anete Melece in Analysis Paralysis mit einer Metapher für ein alltägliches Problem. Das quälende Dilemma der ständig notwendigen Wahl in den übervollen Regalen der Supermärkte oder nur schon die Überforderung durch einfachste, aber zwingende Alltagsentscheidungen illustriert sie mit klaren Filzstiftzeichnungen. Im Kühlschrank findet der Mann für sein Hirn ein wenig Entlastung, und einmal meint er, einen genialen Ausweg aus seinem Problem gefunden zu haben. Doch der Eimer auf dem Kopf stellt sich für die unzähligen Haarwaschmittel und die bedrohlichen Meldungen vom Weltuntergang im Fernsehen nur als eine Übergangslösung heraus.

Melece inszeniert das eigentlich betrübliche Thema mit verspielten Bildern und einem schelmischen Humor. Wenn sich ihre Hauptfigur zwischen den verschiedenen Verpflegungsmöglichkeiten entscheiden muss, dann bleibt ihr in Gedanken die Gräte des Fisches im Hals stecken, und schon nähert sich der Sensenmann. Der Entscheid für den Hühnerflügel lässt den Mann wiederum an die überlastete Ernährungspyramide denken. So verlässt er letztlich den Supermarkt mit einem schweren Kopf und Hundefutter.

Nachdem Anete Melece bereits 2014 für The Kiosk den Schweizer Filmpreis für den besten Animationsfilm erhalten hatte, wurde sie 2016 auch für Analysis Paralysis für diese Auszeichnung nominiert. Zudem wurde das Werk am Fantoche im Schweizer Wettbewerb mit dem High «Swiss Risk Award» geehrt, und im Trickfilmwettbewerb an den Solothurner Filmtagen und am Fantoche erhielt Analysis Paralysis den Publikumspreis.

Thomas Hunziker
*1975, Studium der Filmwissenschaft, Anglistik und Geschichte an der Universität Zürich. Er arbeitet als Radiologiefachmann und betreibt das Filmtagebuch filmsprung.ch. Mit seiner Partnerin und zwei Kindern lebt er in Schaffhausen.
(Stand: 2021)

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