Die Eröffnungsszene zeigt es deutlich: Schwangerschaftsbekundungen gibt es im Kino zwar öfters, aber kaum je hat ein künftiger, junger Vater derart alarmiert ausgesehen wie David (Sven Schelker), als ihn seine Partnerin Jessy (Jasna Fritzi Bauer) ins Bild setzt. Nicht minder unheilvoll scheint aber der Gesichtsausdruck der werdenden Mutter, als ihr David auf einer Dachterrasse im kühl-nebligen Mittelland mit dem AKW Gösgen im Hintergrund einiges später einen Heiratsantrag macht. Beziehungsglück sieht anders aus. Zwischen den beiden verwandten Szenen liegt ein Schlüsselerlebnis, das David in seiner Männlichkeit zutiefst verunsichert. Nachdem das Paar in der S-Bahn nach dem Ausgang verprügelt wird, glaubt David, ein intensives Muskeltraining im Fitness-Studio könne sein angeschlagenes Selbstbild und seine vermeintlich postulierte Beschützerrolle als werdender Vater stärken. Und während der Bauch von Jessy wächst, trainiert David obsessiv und putscht seinen bald massigen Körper zusätzlich mit Stereoiden auf. Ein fragiles und zugleich toxisches Beziehungsgefüge ist das, in dem David bald zur Gefahr für seine Frau und das ungeborene Kind wird.
Goliath wurde als ZHdK-Abschlussfilm produziert und lief als einziger Schweizer Beitrag im internationalen Wettbewerb am Filmfestival Locarno. So präzis, wie es Sven Schelker (Der Kreis, CH 2014) versteht, mit Mimik oder einer Körperhaltung schwer Fassbares darzustellen, gelingt es Dominik Locher, in einzelnen Szenen so viel zu kondensieren, ohne die Figuren übermässig zu psychologisieren. Er erzählt ellipsenhaft, spart aus, deutet an, zeigt auf. Dass Davids Wandel aber bald fast ausschliesslich und allzu konsequent anhand seiner Körperlichkeit dokumentiert wird, ist auch ein Manko. Dabei ist nicht nur entscheidend, dass der virulente Teufelskreis bald absehbar und so die Aussicht auf eine mögliche Wendung des sich anbahnenden Fiaskos verbaut wird. Die Grundproblematik – Davids stumme Panik, seine tiefe Verunsicherung und Verzweiflung – wird sehr bald mit seiner Anabolikasucht kaschiert und so seine gesteigerte Aggression und Impotenz erklärt. Statt dem inneren Drama des jungen Mannes, der mit den Geboten fragwürdiger Rollenbilder hadert, ebenfalls mehr Raum zu geben, lässt Davids allzu radikale physische Wandlung zum Goliath das Publikum etwas gar distanziert gegenüber dem Geschehen und den Figuren zurück. Das tiefsitzende Unbehagen jedoch, das sich bereits in den ersten Minuten im Film manifestiert, hallt lange nach. Zusammen mit Lisa Blatter (Skizzen von Lou, CH 2016) und seiner Frau Lisa Bühlmann (Blue My Mind, CH 2017) darf der Aargauer Dominik Locher mit seiner Bestandsaufnahme einer verstörten und verstörenden Paarbeziehung somit allemal zu den vielversprechenden Schweizer Jungregisseuren gezählt werden.