DENIS NEWIAK

DER MARS ALS LEINWAND — FILMISCHE ZUKUNFTSSZENARIEN VOR ROTER KULISSE

ESSAY

Seit Beginn der Filmgeschichte gehört das ästhetische Spiel mit der Zukunft zum festen Inventar des Kinos, das sich in der Auseinandersetzung mit dem Kommenden immer auf das Gegenwärtige bezieht, indem es das uns bekannte Leben produktiv zuspitzt und zu einem Extrakt unserer heutigen Wünsche, Hoffnungen und Ängste in unterhaltsamen Artefakten kondensieren lässt. Das extrem populäre Science-Fiction-Genre definiert sich und seinen spezifischen Reiz eben aus dieser Gelegenheit, «die eigene Verstrickung in das Normale, die Anerkennung des Faktischen wenigstens gedanklich zu durchbrechen»1 – und damit ästhetische Alternativwelten zu imaginieren, welche die gesellschaftliche Realität implizit zur Disposition stellen.

Während jedoch praktisch alle irdischen Schauplätze, Figuren und Requisiten längst mit Assoziationen, Bedeutungen und Zuschreibungen belastet sind, bilden die noch unbeschriebenen Weiten fremder, ausserirdischer Welten eine vorläufig unerschöpfliche Spekulationsressource – allen voran der Mars, vorläufig unerreichbar und nah genug zugleich, eigenartig fremd und doch irgendwie heimlich vertraut. In der Literatur wurden in den vergangenen drei Jahrhunderten höchst komplexe Fiktionen davon entwickelt, wie die marsianische Welt beschaffen ist, welche Wesen dort wie leben und in welchem Verhältnis sie zu unserer irdischen Heimat steht. Mars-Filme gibt es fast so lange, wie es das Kino selbst gibt, und selbst in dieser kurzen Zeit eines Jahrhunderts haben die auf dem Mars angesiedelten Filmfantasien immer wieder ihr Gesicht geändert, sich mit den weltpolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gewandelt und sind so zu Inkarnationen ganz ‹weltlicher› Fragen geworden, die im roten Sand unseres Nachbarplaneten ausgetragen werden.

Vor dem historischen Hintergrund der Entwicklung der Mars-Fiction als Genre in Literatur und Kino soll der Frage nachgegangen werden, wie Science-Fiction die Beschaffenheit der jeweiligen realweltlichen Verhältnisse kommentieren. Anhand welcher filmästhetischen und -narrativen Merkmale lassen sich unterschiedliche Typen und Phasen des Mars-Kinos unterscheiden? Und welche impliziten Deutungen der realweltlichen politischen Verhältnisse und Diskurse ihrer jeweiligen Gegenwarten halten die Mars-Filme bereit?

Dieser Beitrag soll zeigen, dass sich die filmischen Mars-Welten seit ihrer Entstehung jeweils den sie hervorbringenden ausserfilmischen wissenschaftlichen wie gesellschaftspolitischen Bedingungen entsprechend signifikant verändert haben: Werden anfänglich die fantastische Utopie und klassenkämpferische Revolution lediglich auf den Mars verlängert, wird er Mitte des 20. Jahrhunderts zum Austragungsort weltpolitischer Spannungen des Kalten Kriegs und der mit ihm verbundenen ideologischen Systemfrage, bis mit dem wachsenden wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Mars schliesslich eine ‹Versachlichung› des Genres einsetzt. Unter dem Schutz der ästhetischen Freiheit der Fiktion absorbieren die Mars-Filme dabei nicht nur jene realweltlichen Diskurse, sondern sie kommentieren und bewerten sie aktiv, beziehen zu den jeweiligen politischen Zuständen eine eigene Position und unterbreiten damit zum Teil erstaunlich konkrete, politische ‹Handlungsempfehlungen›. In diesem Sinne ‹spiegeln› filmische Mars-Erzählungen nicht etwa einfach nur die sie umgebende soziale Realität, sondern nehmen auf sie mittelbaren Einfluss.

Ausserirdische Gegenwelten: Der Mond als erster Sehnsuchtsort

Die ästhetische Spekulation über die Beschaffenheiten anderer Himmelskörper ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern gehört seit der griechischen und römischen Antike zum Standardrepertoire der Geistesgeschichte.2 So berichtet etwa Lukian von Samosata in seinen Wahren Geschichten von einer abenteuerlichen Reise zu den Mond-Wesen, die sich mit den Sonnenkriegern/-innen im Kampf um die Kolonisierung der Venus befinden. Wenn auch vor anderer Kulisse, scheinen sich die täglichen Sorgen des Mondvolkes hier nicht wirklich von denen der Erdenmenschen zu unterscheiden.

Mit dieser Erdähnlichkeit des Mondes verbindet sich nicht nur die Hoffnung, dort menschenähnliche Wesen antreffen zu können, sondern einst sogar selbst zu diesen bewohnbaren Orten aufzubrechen und sie – was auf der historisch vorbelasteten Erde nur noch bedingt möglich ist – nach den eigenen Vorstellungen frei umzugestalten. Diese unbekannten Welten waren damit förmlich dazu prädestiniert, als Schauplatz für soziale und politische Fiktionen zu dienen. Wie etwa Cyrano de Bergeracs frühaufklärerische Reise zum Mond und zur Sonne von 1657 spielten sich viele literarische Utopien bis ins 18. Jahrhundert regelmässig auf dem Erdsatelliten ab, der – durch seine Nähe zur Erde stets präsent – zum täglichen Fantasieren einlud. Dabei konzipierten solche idealisierenden Werke nicht immer reine Paradiese, wie etwa noch in Thomas Morus’ Utopia (1516), sondern dienten insbesondere als ‹unverdächtige› Kulisse für satirische Zuspitzungen der irdischen Zustände auf ‹neutralem Grund› und damit der Kritik realweltlicher politischer Verhältnisse.3 Geschützt als ‹irreale Fantasterei› liess sich in diesen scheinbar unpolitischen Erzählungen eine einladende Gegenwelt zeichnen, die zugleich die ihr gegenüberstehende gesellschaftliche Realität monarchistischer Willkürherrschaft und ökonomischer Ausbeutung an den literarischen Pranger stellt.

Zugleich zehren solche Geschichten von der Faszination des Exotischen: Die Reise an unbekannte Orte bedient die romantische Hoffnung, der einem überdrüssig gewordenen Welt des ‹zu klein› geratenen Alltags den Rücken zu kehren und sich auf eine metaphysische Suche nach Glück und einem neuen Gott zu begeben4, nachdem mit Nietzsche das bisherige moralisch-christliche Weltdeutungssystem an seine Leistungsgrenzen geraten war. Auf fremden Planeten würden die althergebrachten Rituale und verkrusteten Denkmuster aus der Heimat nichts bedeuten, die gewohnten Klassen- und Rollenzuschreibungen wären aufgehoben. Doch auf dem Weg zu diesen neuen Sehnsuchtsorten, wie sie etwa Jules Verne entwirft, warten tödliche Gefahren, und am Zielort so manche unheilvolle Monster – und allen Risiken zum Trotz strahlen diese Abenteuer bis heute doch einen besonderen Reiz aus: Hauptsache, es ist alles anders.

Friedliche Vegetarier: Die frühen Mars-Utopien

Es ist nicht überraschend, dass mit den neuen Erkenntnissen der Astronomie in der Moderne der Mars den bisherigen ausserirdischen Fiktionsmagneten ablösen musste.5 Zeigte sich der Mond zunehmend als dröge, menschenfeindliche Wüstenlandschaft, drängte sich der noch recht unbekannte und dennoch gut zu beobachtende rote Nachbarplanet als Bühne des fiktionalen Spiels förmlich auf. So beschrieb Emanuel Swedenborg in Arcana Coelestia (1749) die Marsianer/ -innen als weise friedliche Vegetarier/-innen, in Carl Ignaz Geigers Reise eines Erdbewohners in den Mars von 1790 steigen Mahlzeiten wie ein Wunder aus dem Tisch hervor und in die Beschreibung der dortigen Häuser, wie sie sich «leichtlich von einem Orte zum andern bewegen»6, ist die frühe Vorahnung des Automobils eingeschrieben, die schon bald die irdischen Städte bevölkern würden. Eberhard C. Kindermann stellt sich in seiner Geschwinden Reise auf dem Luftschiff in die obere Welt (1744) die Städte der Marsmenschen voller naturgewachsener prächtiger Paläste vor, wo man keine hierarchische Unterscheidung der Menschen kennt. Auf die Realisierung solcher positiv konnotierten, futuristischen Idealwelten wirtschaftlichen, ökologischen und geistigen Wohlstands muss man sich auf der unaufgeklärten und technologisch noch in den ‹Kinderschuhen› steckenden Erde vorerst gedulden – doch immerhin geben uns die offensichtlich weiterentwickelten Marsvölker erstaunlich genau vor, in welche Richtung die Reise gehen soll: Zukunft geht auf dem Mars ganz eng einher mit technologischer Entwicklung, die erst die Voraussetzungen für eine allumfassend freiheitlich-egalitäre Gesellschaft schafft.

Immer ausgereiftere Beobachtungsgeräte, die unter Ausnutzung günstiger Mars-Oppositionen detaillierte Blicke auf den Mars zuliessen, führten im 19. Jahrhundert zu einem enormen Forschungsaufschwung. Bereits Herschel (1830) und Secchi (1858) vermuteten, es könnte auf dem Mars mit Wasser gefüllte Flüsse geben. Doch erst die Forschungen des Astronomen Schiaparelli 1877 gaben den Anstoss für das erste Goldene Zeitalter der Mars-Literatur: Zwar hatte der Forscher lediglich berichtet, er vermute auf dem Mars gradlinige Senken oder Rillen (‹canali›), die auf dem sonst trockenen Mars von flüssigem Wasser durchspült sein könnten. Durch einen Übersetzungsfehler manifestierte sich jedoch die populäre Vorstellung, auf dem Mars gäbe es vielmehr ‹Kanäle›, also künstlich angelegte Wasserwege, was eine Flut an höchst fantasievollen Erzählungen rund um den Mars und seine mutmasslichen sich im fleissigen Kanalbau betätigenden Marsbewohner/-innen nach sich zog: Percy Greg erzählt etwa in Across the Zodiac: The Story of a Wrecked Record (1880) von einer Reise zum Mars und berichtet davon, wie die Marsianer/-innen ihre einstige dysfunktionale, ‹kommunistische› Gesellschaft wieder in eine Art freiheitlichen ‹Kapitalismus› zurückverwandelt hätten. Für Otto Dross sind hingegen die Marsianer/-innen in Eine Welt im Kampf ums Dasein (1901) unserer Lebensweise längst überlegen: Sie hätten nach langen Kriegen und Konflikten alle Gewalt beigelegt und würden nun ein friedliches Zusammenleben geniessen. Ganz deutlich schimmern in diesen Mars-Spekulationen die relevanten gesamtgesellschaftlichen Diskurse der sich industrialisierenden, zu Nationalstaaten formierenden Gesellschaften durch: Die Wesen vom Mars werden zu dankba­ren Platzhalter/-innen für die eigenen ideologischen Überzeugungen, ohne in der rein spekulativen Erzählung politisch sauber argumentieren zu müssen. Indem jedoch die Marsmenschen überwiegend als reflektierte und komplexe Wesen entwickelt werden, erscheinen ihre Überzeugungen als vernünftig und nachahmungswürdig. Bleibt das politische Manifest oder das Parteiprogramm abstrakt und beweispflichtig, überzeugt das literarische Szenario schon allein der anschaulichen narrativen Form halber.

Besonders hervorzuheben ist, dass sich selbst die Wissenschaft zu dieser Zeit nicht verkneifen konnte, angeregt über das Leben der Marsmenschen zu spekulieren. Percival Lowell entwirft beispielsweise in Mars as the Abode of Life von 1908 eine komplexe Zivilisation, die aufwendig gegen ihr drohendes Aussterben auf dem unwirtlichen Mars ankämpft: Für Lowell dienten die vermuteten ‹Kanäle› dazu, Eis auf dem trockenen Planeten zu verteilen. Vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Diskussion um Ressourcenknappheit und den anthropogenen Treibhauseffekt wirkt auch Ludwig Kanns Neue Theorie über die Entstehung der Steinkohlen und Lösung des Mars-Rätsels (1901) wie eine frühe, warnende Prophezeiung: Die auf dem Mars wohl vorhandenen Kohlereserven würden die Erdenmenschen schon bald ausbeuten wollen, da die verfügbare Menge an Kohle auf der Erde schon bald erschöpft sei – mit den entsprechenden Konsequenzen für die Mars-Ökologie. Die Grenzen zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und reiner Fantasie sind hier kaum noch erkennbar. Der sich erst später entwickelnde Begriff der ‹Science-Fiction› bekommt hier vorzeitig eine ganz wortwörtliche zusätzliche Bedeutungsdimension: Die akademische Erkenntnis dient hier vielmehr als ‹Stichwortgeberin› für die eigene Position, die durch die Verkettung mit wissenschaftlichen Zusammenhängen an intuitiver Plausibilität gewinnt, dadurch aber nicht zutreffender oder wahrscheinlicher, sondern eben nur bildhafter wird.

Die erste Hochphase des Mars-Kinos

Für den noch jungen Film sind Mond und Mars von Anfang an narratives und inszenatorisches ‹Grundnahrungsmittel›: Nicht nur fallen die wachsende Begeisterung für den Weltraum und die gesellschaftliche Etablierung der Kinematografie zeitlich ideal zusammen – die leeren unbekannten Weiten der fernen Welten bieten auch praktisch einen unerschöpflichen, dankbaren Projektionsfreiraum, eine beinah unendlich grosse ‹Leinwand› für publikumswirksame filmische Szenarien und Attraktionen. Nicht umsonst erzählt Méliès schon 1902 von seiner Voyage dans la Lune, auch in den USA erscheint etwa der fünfminütige Kurzfilm A Trip to Mars (Ashley Miller, US 1910) und Fritz Langs Frau im Mond (DE 1929) wird zu einem vielbesprochenen Klassiker der deutschen Filmgeschichte.

Doch auch für den Film scheint der Mars schnell der ergiebigere ‹Drehort› zu sein. Das dänische Himmelskibet (Das Himmelsschiff, Holger-Madsen, DK 1918) zeigt etwa eine Forschungsreise zum Nachbarplaneten, auf dem die Menschen höchst freundliche Marsianer/-innen unter quasi-kommunistischen Lebensverhältnissen vorfinden. Die Marshumanoiden leben gemeinschaftlich in Einklang mit der Natur: Statt in beengten lichtarmen Städten sind ihre Tempelanlagen in grosszügige, sonnendurchflutete Landschaften eingebettet. Die Erinnerung an ihre kriegerische Vergangenheit halten die Marsbewohner/-innen in selbstreflexiver Weise auf Videos fest, um sie sich selbst und ihren Besuchern/-innen von der «tausende Jahre zurückgebliebenen» Erde immer wieder vor Augen zu führen. Während der irdische Weltfrieden 1918 in eine nachhaltige Krise geraten ist (Dänemark selbst bleibt neutral), bieten die dänischen Marsmenschen einen pazifistischen Ausweg: Aufhebung der Klassenverhältnisse, eine naturverbundene Lebensweise, gelebte Erinnerungskultur und zweckmässige, urbane Strukturen.

Auch der sowjetische Stummfilm Aelita (Jakow Protasanow, SU 1924) über den Ingenieur Loss, der sich – inspiriert von einer unidentifizierten Radionachricht – in Tagträumereien von einer Reise auf den Mars verliert, gilt heute als zeitloser Klassiker. Während der Film im Haupthandlungsstrang recht authentisch das Leben im noch jungen Sowjetstaat mit seinen alltäglichen sozialen Problemen zeigt, trifft Loss in seiner Fantasie nicht nur auf die verführerische Mars-Königin Aelita, sondern auch auf ihre dortige brutal-mörderische Sklavenhaltergesellschaft: Versuchen die Ältesten des Planeten zunächst noch, die irdischen ‹Revolutionäre/-innen› von der Landung abzuhalten, entwickelt sich zügig eine Widerstandsbewegung, die zum bolschewistischen Sturm des Mars-Palastes führt – hier bringen die Sowjets ja ausreichend Erfahrung mit. Die Weltrevolution schliesst den Mars mit ein. Dass sich Aelita zunächst der Revolution anschliesst, nur um später die dann entwaffneten Unterdrückten deportieren zu können, war nicht nur für Loss mit seinem marxistisch-leninistischen Weltbild Anlass genug, die einst begehrte Herrscherin nun schnell zu beseitigen, sondern auch Ausgangspunkt für eine spätere Zensur in der Sowjetunion. Auch die Auflösung, dass sich Loss’ revolutionäre Fantasie letztlich nur von profanen Freud’schen Tagesresten speist, beweist einen gewissen ironischen Witz: Während die Befreiung der Arbeiterklasse hier nur in der filmischen Tagträumerei auf fremden Planeten gelingt, plagen sich die Menschen jenseits der Fantasie im Kopfkino mit profaner Eifersucht, den Problemen des Zusammenwohnens in den engen ‹Kommunalki› (Gemeinschaftswohnungen) und dem Kampf ums täglich Brot.

Ein ganz besonderes und bisher wenig berücksichtigtes Beispiel ergänzt diese Reihe frühester Mars-Filme, nämlich der 1916 wohl als erster deutscher für die Inlandspropaganda produzierte Film Die Entdeckung Deutschlands (Georg Jacoby, Richard O. Frankfurter, DE 1916) – eine eigenartige Mischung aus frühem Science-Fiction-Abenteuer, Industriefilm und (wohl unfreiwilliger) Gesellschaftssatire: Die Marsmenschen empfangen in diesem leider nur zum Teil erhaltenen Film mutmasslich gefälschte Radionachrichten, wonach die deutsche Kriegsproduktion am Boden liegt und die Bevölkerung am Verhungern ist. Deswegen machen sie sich auf zu einer Reise ins irdische Deutschland, wo sie sich selbst davon überzeugen möchten, dass es sich bei den Rundfunk-Berichten lediglich um (wie man sie heute nennen würde) ‹Fake News› handelt, es den Deutschen trotz des Krieges in Wahrheit an gar nichts mangelt und die Waffenproduktion auf Hochtouren läuft. In diesem durch und durch geschönten Deutschland essen die touristischen Marsbewohner/-innen in München Brezeln, trinken Bier und sprechen natürlich fliessend Deutsch, um den Kinobesucher/-innen verständlich ihre Wertschätzung für die hiesigen U-Boote zeigen zu können.7 Hier dient der Besuch vom Mars für eine frische und vermeintlich authentische Perspektive von oben: «Ein vorgestellter Beobachter aus dem Weltraum sorgt für den verfremdeten und differenzierten Blick auf die irdischen Verhältnisse.»8 – Damit wird der Mars zu einem «ausserirdische[n] Neutralien»,9 was der Berichterstattung der Marsmenschen besondere Objektivität verleiht. Aliens als Aufklärer/-innen im staatlichen Auftrag sind bis heute beliebte Botschafter/-innen für die eigenen politischen Ziele: Den scheinbar objektiven Darstellungen dieser regelmässig klug, gutmütig und geduldig wirkenden Wesen, ihrem ‹Blick von oben›, ist von sich aus Glauben zu schenken.10

Just Imagine (David Butler, US 1930) unterscheidet sich deutlich von seinen europäischen Pendants. Wird in den genannten Beispielen aus Deutschland, Dänemark und der Sowjetunion eine wie auch immer geartete und nur über Umwege zu erreichende utopische Zukunft entwickelt, nutzt die US-amerikanische Studio-Industrie den Mars als Kulisse für eine (zumindest äusserlich betrachtet scheinbar) unpolitische Musical-Komödie, also als einen weiteren exotischen Ort, an dem es zu leichter Slapstick-Unterhaltung und der unausweichlichen Verwechslungskomik kommen kann.11 Letztere entsteht vor allem dadurch, dass die Marsbevölkerung immer nur zwillingsweise auf die Welt kommt – der eine ‹gut›, der andere ‹böse›. Offensichtlich ist dieser Mars moralisch organisiert, während sich die gottlosen, verkommenen Menschen auf der Erde im Jahr 1980 nur noch mit seelenlosen Nummern statt Namen ansprechen und nicht aus Liebe, sondern nach staatlicher Zuweisung verheiratet werden. So wird der US-amerikanische Mars zum Austragungsort der politischen, kleinbürgerlichen Reaktion, auf dem bereits abgeschriebene Ordnungsschemata der Vergangenheit die Komplexität der modernen Gesellschaft mit einfachen Gegensatzpaaren fassbar machen sollen – was selbst im Hollywoodfilm nicht recht gelingen mag, sondern nur komisch ist.

Allen regionalen, ideologischen und ästhetischen Unterschieden der Mars-Filme dieser Zeit zum Trotz lässt sich wie zuvor auch schon in der Mars-Literatur eine Gemeinsamkeit ausmachen: «that in constructing images of Mars and Martians, human beings inevitably constructed images of themselves and their own world».12 Sei es die Wahrung des Friedens durch den gelebten Umgang mit Geschichte, die Herstellung gerechter Verhältnisse durch einen revolutionären Umbruch oder die Organisation von Gesellschaft durch Moral: Jederzeit dienen unsere filmischen Freund/-innen vom Mars als erwünschte Extrapolation des Selbst in die Zukunft. Dabei bietet die unbeschriebene Oberfläche des roten Planeten den Freiraum, die realweltlichen gesellschaftlichen Defizite der jeweiligen Zeit mit einer evolutionär ‹weiterentwickelten› Menschheitsepoche in Kontakt treten zu lassen. Im Vergleich zu den frei erfundenen Idealwesen vom Mars müssen dabei die irdischen Verhältnisse zwangsläufig als überkommen und dysfunktional erscheinen, was die jeweils eigenen, im Mars-Film manifestierten Überzeugungen nur plausibler und ‹schmackhafter› macht.

Rote Invasionen: Der Mars-Film im Kalten Krieg

Bis die ersten unbemannten Mars-Missionen Anfang der 1960er-Jahre anhand von Fotoaufnahmen zeigen, dass der Mars ähnlich unwirtlich und damit auch unbewohnbar daherkommt wie der einst schon entzauberte Mond, steht der Mars zunächst noch als unerschöpflicher allegorischer Nährboden zur Verfügung: Solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, kann sich auf dem Mars alles abspielen, was denkbar ist und dabei den eigenen Interessen entspricht. Doch das bisherige, grundsätzlich eher positive Bild des Mars und seiner Einwohner/-innen musste Mitte des 20. Jahrhunderts in die entgegengesetzte Richtung kippen: Statt der Faszination für die Fremde, von denen die ‹Space Operas› leben, dominiert im Mars-Film während des Kalten Kriegs die – auch politisch forcierte – Angst vor einer möglichen Invasion der USA durch die ‹communists›. Das eher abstrakte Bedrohungsgefühl wurde nicht zuletzt durch die sich in dieser Zeit häufenden UFO-Sichtungen noch weiter begünstigt. Eine solche Entwicklung hatte sich bereits Ende der 1930er-Jahre in den Buck Rogers- und Flash Gordon-Comics angedeutet, die auch in erfolgreiche filmische Formate überführt wurden und regelmässig den Mars als Ort futuristischen, technologischen Fortschritts wie auch der drohenden Gefahr eines Angriffs inszenieren. Das Hollywoodkino bildet zu dieser Zeit den eindeutigen Mittelpunkt des Mars-Genres, während die einflussreichen europäischen Beispiele an einer Hand abzuzählen sind.

In Flight to Mars (Lesley Selander, US 1951) etwa entdecken die Astro­­nau­t/-innen im Laufe ihrer Mission, wie die dortigen Gastgeber/-innen ge­ra­­de eine aggressive Kolonialisierung der Erde vorbereiten, nachdem die Mars­wesen ihre eigenen Ressourcen nahezu vollständig aufgebraucht haben. Auch der auf dem Klassiker von H. G. Wells basierende Film War of the Worlds (Kampf der Wel­ten, Byron Haskin, US 1953) spielt mit dem Motiv eines kolonialistischen Angriffskrieges durch die Marsianer/-innen. Dabei greifen sie neben anderen Ballungsräumen bestimmt nicht zufällig ausgerechnet Los Angeles an – die Heimat Hollywoods als Maschinerie der US-ideologischen Traumproduktion. Und in Invaders from Mars (William C. Menzies, US 1953) wird die US-amerikanische Wohlstandsordnung förmlich infiltriert, Polizei und Militär verkommen zu Marionetten des ausserirdischen Willens und steuern ihre Invasion unter der Oberfläche der kleinkariert-entindividualisierten Suburbs.

Der recht verworrene Red Planet Mars (Harry Horner, US 1952) ist wohl das Paradebeispiel für den ‹red scare› im Mars-Film Hollywoods: Hier lösen vermeintliche Radionachrichten vom Mars ein internationales Chaos aus, denn scheinbar leben die Wesen vom Nachbarplaneten in einer hochentwickelten, sowjetischen Utopie des Überflusses, was die US-amerikanische, kapitalistische Lebensweise in eine Rechtfertigungskrise stürzt. Eine Nachrichtensperre wird verhängt. Auf einmal funkt es vom Mars, dass die Erdenmenschen bald für ihre unchristliche Lebensart mit einem Atomkrieg bestraft würden. Sehr zur Freude der USA bekennen sich nun plötzlich selbst die ungläubigen Sowjets zu Gott. Doch als ein deutscher Ex-Nazi angibt, die Nachrichten vom vermeintlich kommunistischen Mars von einem versteckten sowjetischen Sender aus den Anden gesendet zu haben, wird das ideologische Durcheinander perfekt, denn die religiösen Nachrichten stammten wiederum nicht von ihm, sondern von der US-Regierung, die damit das blasphemische Sowjetsystem diskreditieren wollte. Der Film verliert alle Chancen auf einen gewissen ironischen Charme, als sich die angeblich gefälschten ‹göttlichen› Nachrichten vom Mars selbst nach der Zerstörung des geheimen Senders mysteriöserweise fortzusetzen scheinen.

Insbesondere das letzte Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie der Mars-Film in den Vereinigten Staaten zur Verlebendigung des ‹White Anglo-Saxon Protestant› wird, der dem Progressiven und Fremden zum Schutz der ihm bekannten und nützlichen Weltordnung feindlich gegenübersteht. Die wahren Feinde der freiheitlichen Demokratie sassen unterdessen natürlich im ‹House Committee on Un-American Activities›, das reihenweise Berufsverbote und Haftstrafen nicht nur gegen Filmschaffende verhängte.

Auch der Wettlauf ums All artikuliert sich im Mars-Film. Während in der realweltlichen Politik zunächst das Wettrennen zum Mond im Fokus stand, waren in Nebo Sowjot (Der Himmel ruft, Alexander Kosyr/Michail Karjukow, SU 1959) die Sowjets und Amerikaner schon auf dem Weg zum Mars. «Die sowjetischen Wissenschaftler sehen ihre Aufgabe darin, den Kosmos zum Wohle aller Menschen zu bezwingen. Anders sieht der amerikanische Raumfahrer und Journalist Werst den Start zum Mars. Für ihn ist diese Aufgabe eine Prestigefrage», heisst es in einem Werbehelfer-Heft des DDR-Verleihs VEB Progress.13 Doch die Amerikaner/-innen geraten in einen Meteor-Strom – und die Sowjets riskieren ihren ersten Schritt auf dem Mars, um ihren westlichen Kollege/-innen zu Hilfe zu eilen: «Erst jetzt lernen die Amerikaner Werst und Clark an die Kraft der menschlichen Freundschaft zu glauben.»14 – Der Mars als gemeinsames Ziel überwindet hier (zumindest in der Fiktion) selbst den antagonistischen Klassengegensatz.

Filmischer Wettlauf um den Roten Planeten

Mit dem ‹space race› gedeiht auch die Mars-Forschung: Ab 1960 starten die ersten unbemannten Marsmissionen, von denen die meisten zwar nicht erfolgreich sind, aber schon nach wenigen Jahren erste Nahaufnahmen liefern – die leider nur bestätigen, dass sich auf dem Mars ‹wenig abspielt›. Vielmehr erscheint er als ‹toter Planet›, wo kein Kraut wächst.

Paradoxerweise erfuhr der Mars-Film trotz der fortschreitenden Entzauberung seiner ‹Kulisse› durch die Weltraumforschung einen erneuten Schub, denn auch wenn sich der Mars der Gegenwart nicht nur als recht uninteressant, sondern auch mit seinen extremen Temperatur- und Druckverhältnissen als ziemlich ‹ungemütlich› herausstellte, war er nach dem Mond doch realistischerweise das nächste verheissungsvolle Ziel einer bemannten Erkundung.15 Zugleich setzte sich die Vorstellung durch, dass es sich beim Mars einst tatsächlich um einen habitablen Planeten – mit gemässigtem Klima, fliessendem Wasser auf der Oberfläche und vielleicht sogar einfachen Formen von Leben – gehandelt haben könnte, was einer förmlichen Aufforderung an die Science-Fiction gleichkommt, diesen Imaginationsspielraum auszuschlachten, den Mars durch die Lebendigkeit des bewegten Bildes zu ‹reanimieren›.

Dabei passten die Mars-Fiktionen sich nicht nur dem neuen akademischen Wissensstand, sondern auch den sich rasch ändernden gesamtgesellschaftlichen Diskursen an: «[Die Marsianer/-innen] haben überlebt, indem sie jedesmal ihre Form und ihre Botschaft den jeweiligen Realitäten und Idealen anpassten. Und das zeigt, dass die Menschen ihre kosmischen Nachbarn brauchen.»16 – Dazu gehört nicht nur, dass Ende des 20. Jahrhunderts eine bemannte Mission zum Mars als realistisches Ziel erscheint, sondern die bis dahin dominierende ideologische ‹Systemfrage› mit dem Fall des Eisernen Vorhangs ab 1990 an sich keine prägende Rolle mehr spielt. Der Mars und seine Bewohner/-innen sind nun befreit, nicht mehr nur als dankbarer Pool von Allegorien herzuhalten, sondern ihre ‹eigene› Geschichte zu erzählen.

Dennoch bleibt der filmische Mars ein gesellschaftspolitischer Seismograf, wie sich besonders im vielleicht wichtigsten populären Mars-Film der jüngeren Geschichte, dem Kult-Klassiker Total Recall (Die totale Erinnerung – Total Recall, Paul Verhoeven, US 1990) mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle, zeigt. Dieser spielt den recht komfortabel lebenden Bauarbeiter Quaid, der ständig nur vom Mars träumt: Es zieht ihn regelrecht auf den bereits kolonialisierten Nachbarplaneten, auf dem sich eine Revolution gegen den dortigen Diktator Cohaagen formiert, der vor nichts zurückschreckt, um die (für die irdische Mili­tärindustrie überlebenswichtigen) marsianischen ‹Turbinium›-Vorkommen aus­­zubeuten. Selbst Atemluft bekommen hier nur diejenigen, die es sich leisten können. Da Quaid sich eine wirkliche Reise zum Mars nicht leisten kann, beauftragt er das Unternehmen ‹Rekall›, in sein Gehirn eine der neuartigen Abenteuer-Erinnerungen zu pflanzen: Nun kämpft sich Quaid in seiner Rolle als Hauser durch die Mars-Stadt mit ihren Luxushotels, Rotlichtvierteln und Bergarbeiter-Katakomben – und wird dabei mit allen zu dieser Zeit relevanten gesellschaftspolitischen Diskursen konfrontiert: der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, ausbeuterischen, sklavenartigen Beschäftigungsverhältnissen, der Macht des militärisch-industriellen Komplexes, der Verbreitung von Bildschirmmedien in Alltag und Öffentlichkeit, der gewollten Angst vor dem Terrorismus, der Zukunft der Stadt.

Wurde der Film häufig für die martialischen Gewaltdarstellungen kritisiert, do­miniert in Presse wie in Fachliteratur die Wertschätzung dieses ungewohnt politischen Blicks, etwa die verstörende Darstellung von Frauen, Minderheiten und Dritte-Welt-Kolonialismus17 oder die Thematisierung der «Manipulation der Persönlichkeit durch hochentwickelte Technologie und für eine totalitäre Herrschaft».18 In der gezeigten Welt, in der sich das Leben überwiegend in anonymen Wohnkomplexen und zwielichtigen Vergnügungsvierteln abspielt, von vollautomatischen Tagesabläufen, allgegenwärtigen Medienapparaten und komplexen Sicherheitsarchitekturen geprägt ist und Konsumglaube und strenge Klasseneinteilung keine utopische Perspektive zulassen, gibt es für Ortwin Thal «kein Vertrauen mehr […], keine Liebe, keine Betroffenheit […]. Angst und Einsamkeit sind in dieser Welt überflüssig geworden, technische Intelligenz und emotionale Kälte unerlässlich.»19

Während Total Recall 1990 noch alle grossen gesellschaftspolitischen Me­gatrends durcharbeitet, wird das Mars-Kino ab der Jahrhundertwende in dem Sinne ‹unpolitischer›, dass es sich vorwiegend den technischen und psychologischen Herausforderungen eines tatsächlichen bemannten Marsflugs zuwendet. Prägend ist hierbei der Spielfilm Mission to Mars (Brian De Palma, US 2000): Im Mittelpunkt steht die gefährliche Mission samt Treibstoffbrand, Manövrierunfähigkeit und Gruppenkoller als solche, während die umtriebigen Aliens selbst nur als Rahmung dienen und sich längst aus dem Mars-Staub gemacht haben. Abgesehen von der charmanten Auflösung, die Marsianer/-innen hätten ihren Planeten einst nach einer globalen Ökokatastrophe aufgeben müssen und ihr Erbgut in den jungen Erdenmeeren ausgesät, ist der wissenschaftlich-pragmatische Zugang zum Mars deutlich ausgeprägter, was den bis heute anhaltenden Trend des mit dem tatsächlichen Stand von Forschung und Technik anschlussfähigen Mars-Kinos begründet.

In den letzten Jahren hat das Mars-Thema ganz besondere Popularität gewonnen und erzeugt jährlich mindestens einen grossen Kinofilm. The Martian (Der Marsianer – Rettet Mark Watney, Ridley Scott, US 2015) über einen gestrandeten NASA-Astronauten, der nach einem heftigen Sandsturm allein auf dem Mars zurückgelassen wird und dort einsam auf seine Rückholung hofft, war zunächst als Roman extrem erfolgreich und spielte als Film schon nach einem Monat über das Vierfache seines Produktionsbudgets ein. Wissenschaftlich fundiert wird gezeigt, wie der Gestrandete die verbliebenen Reste des Habitats intelligent und einfallsreich nutzbar macht, um Kontakt mit der Erde aufzunehmen und seine Zeit als Robinson Crusoe auf dem Mars zu überbrücken. Die Rettung selbst erfordert wiederum den Einsatz der Gemeinschaft entgegen allen ökonomischen und politischen Abwägungen.

In der fantastischen Romanze The Space Between Us (Den Sternen so nah, Peter Chelsom, US 2017) wiederum ist die erste bemannte Mission zum Mars über ihr Ziel hinausgeschossen: Dort kommt der Junge Gardner als Sohn einer Astronautin zur Welt und muss, da sich sein Organismus den dortigen Anziehungskräften angepasst hat, auf dem roten Planeten ausharren. Zwar ga­rantiert ihm die hermetische Forschungsstadt Sicherheit und Komfort – doch mit ihren mehr oder minder asexuellen und nicht gerade jugendlichen Wissenschaftlern/-innen und den beschränkten Selbstentfaltungsmöglichkeiten stellt dieses Utopia für den jungen Mann ein Gefängnis dar. Die Erde bleibt unerreichbar, die Grenze zwischen den beiden von Menschen bevölkerten Welten bleibt unüberschreitbar – etwa wie auch die Erdenmenschen sich trotz (oder gerade wegen) des zunehmenden materiellen Wohlstands einander nicht näher, sondern getrennter voneinander fühlen. Am Ende steht die Hoffnung auf die Überwindung der Trennung von Erden- und Marsmenschen durch neuartige (Raumfahrt-)Technologien, welche die Voraussetzung für neue, sinnstiftende Gemeinschaften schaffen.

Für die Menschen auf der Erde, nach denen Gardner sich sehnt, stellt der Mars hingegen bis heute einen unerreichbaren Sehnsuchtsort da – und rückt zugleich in greifbare Nähe: Die Pläne der NASA für ihren ersten bemannten Mars-Flug konkretisieren sich weiter, und längst hat die Privatwirtschaft eine Besiedlung des Mars als lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Eine niederländische Stiftung plant sogar, eine Handvoll Freiwilliger ohne die Chance einer Rückkehr dauerhaft auf dem Mars anzusiedeln (bisher eher mit mässigen Fortschritten), und der international agierende Investor Elon Musk unternimmt enorme Anstrengungen, eine wiederverwendbare Mars-Rakete zu entwickeln, um mit tausenden Menschen auf dem Mars eine Kolonie zu gründen.

Wurde die Oberfläche des Mars bisher durch die Projektion des Kinematografen beschrieben und dadurch eine Deutung von Gegenwart und Zukunft vorgenommen, steht nun der Moment bevor, an dem sich Teile von Science-Fiction realisieren, der Film auf das Leben jenseits des Kinosaals übergreift. Lässt sich der Mars-Film als Kommentar zu unserem bisherigen irdischen Leben lesen, erscheint er heute vielmehr auch als ein Ausblick auf das uns Bevorstehende: Er zeigt nicht mehr nur, wie wir leben und gelebt haben, sondern stellt konkrete ästhetische Szenarien vor, die wir vielleicht einst noch ‹nachleben› und damit erst realisieren werden.

Annette Schlemm, «Science Fiction und die Revolution: Erfahrungen vom Mars», in: Lutz Kirschner/Christoph Spehr (Hg.), Out of this world! Reloaded: Neue Beiträge zu Science-Fiction, Politik & Utopie, Berlin 2004, S. 129–134, hier: S. 130.

Annett Zinsmeister, welt[stadt]raum: Mediale Inszenierungen, Bielefeld 2008, S. 10.

Axel Mehlem, Der Science-Fiction-Film: Ursprünge, Geschichte, Technik, Alfeld 1996, S. 19.

Mehlem (wie Anm. 3), S. 22.

Helga Abret/Lucian Boia, Das Jahrhundert der Marsianer: Der Planet Mars in der Science Fiction bis zur Landung der Viking-Sonden 1976, München 1984.

Carl Ignaz, Reise eines Erdbewohners in den Mars, 1790.

Britta Lange, Die Entdeckung Deutschlands: Science-Fiction als Propaganda, Berlin 2014, S. 8.

Roland Innerhofer, Deutsche Science Fiction 1870–1914: Rekonstruktion und Analyse der Anfänge einer Gattung, Wien/Köln/Weimar 1996, S. 281.

Lange (wie Anm. 6), S. 39.

Lange (wie Anm. 6), S. 46.

Keith M. Johnston, Science fiction film: A critical introduction, Oxford/New York 2011, S. 66.

Robert Crossley, Imaging Mars: A Literary History, Middletown 2011, S. 82 f.

Progress Film-Vertrieb, «Der Himmel ruft»: Progress-Werbehelfer, 5.8.1960, S. 4.

Progress Film-Vertrieb (wie Anm. 12), S. 5.

Robert Markley, Dying Planet: Mars in Science and the Imagination, Durham 2005, S. 270.

Abret/Boia (wie Anm. 5), S. 355.

Jason P. Vest, Future Imperfect: Philip K. Dick at the Movies, Westport 2007, S. 31.

Mehlem (wie Anm. 3), S. 111 f.

Ortwin Thal, «Die totale Erinnerung (Total Recall)», in: Medien und Erziehung 5 (1990), S. 287–290, hier: S. 290.

Denis Newiak
*1988 in Potsdam, M.A., studierte Europäische Medienwissenschaft an der Universität Potsdam und Filmwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Auslandsstudium an der Universität Kopenhagen (Film and Media Stu­dies) und Studien in der Library of Congress in Washington. Promoviert an der BTU Cottbus zu Gemeinschaftskonzepten in der Filmtheorie und Einsamkeitsnarrationen im Gegenwartskino und -fernsehen. Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung und Mitglied des Bran­denburgischen Zentrums für Medienwissenschaften (ZeM). Forschungsschwer­punk­te: Science-Fiction-Film/Tanz im Film/Geschichte und Ästhetik der Filmmusik/ost­europäischer Film.
(Stand: 2019)
[© cinemabuch – seit über 60 Jahren mit Beiträgen zum Schweizer Film  ]