Stichworte wie ‹Steuerhinterziehung›, ‹Bankgeheimnis› und ‹Offshoring› sind spätestens seit den UBS-Skandalen in den USA und allerspätestens seit den ‹Panama-Papers› in aller Munde: Regisseur Werner ‹Swiss› Schweizer, der sich in seiner Karriere bereits so vielseitigen Themen wie dem Radfahrsport (Höllentour, 2004), Herztransplantationen (Hidden Heart, 2008) oder Frauenrechten (Verliebte Feinde, 2012) gewidmet hat, tritt mit seinem jüngsten Werk Offshore thematisch gesehen offene Türen ein. Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte des ehemaligen Bankiers Rudolf Elmer, der zunächst acht Jahre bei der Julius Bär im karibischen Exil arbeitete, um 2008 zum ‹Whistleblower› von internationalem Interesse und zum Kronzeugen gegen das Schweizer Bankgeheimnis zu werden. 2011 denunzierte Elmer in London den Steuerbetrug, der auf den karibischen Cayman Islands praktiziert wird, in grossem Stil: Der Zürcher reichte vor versammelten Medienvertretern und mit dramatischer Geste Daten an Wikileaks’ Julian Assange weiter, gebrannt auf zwei CD-Scheiben. In Offshore kontrastiert Schweizer seinen eigenen Lebensweg als Teil der Zürcher Jugendbewegung der Achtziger mit der gleichzeitig florierenden Berufskarriere Elmers.
Offshore geht der Frage nach, was einen erfolgreichen Bankier wie Elmer – zunächst selbst Teil des Systems, selbst Teil des Problems – zum Enthüllenden macht. Im Endeffekt sind Elmers Taten folgenschwer: Von der hiesigen Justiz wird er nicht als Held gefeiert, ihm wird stattdessen wegen Drohung und Verletzung des Bankgeheimnisses der Prozess gemacht. Statt den Weg eines ‹Wolf of Wallstreet› zu wählen, lebt er nun im Vorstadthaus als Hausmann. Auch nach Interviews mit Elmer, der bereitwillig aus Kindheit und Arbeitsalltag, von seiner abgebrochenen Militärkarriere und einer Leidenschaft für Gesellschaftstänze erzählt, kann die eingangs gestellte Frage, wie jemand zum Whistleblower wird, nicht restlos beantwortet werden. Als «critical thinker» habe er «bei der Bär» aber seit jeher gegolten. Eine Kündigung, Beschattungen und Drohungen liessen das Fass wohl überlaufen.
Offshore holt weiter aus: Der Film rollt die Geschichte des helvetischen Finanzplatzes bis zum ersten Skandal in den Siebzigerjahren und den damaligen sozialdemokratischen Widerständen auf und untermalt sie mit illustren Archivbildern. Hier erzählt der Film besonders spannend, arbeitet er doch nicht mehr nur Privatbiografien auf, sondern öffnet seinen Blick auf die jüngere Landesgeschichte und die darin so entscheidende Rolle des Bankgeheimnisses. Dass auch Jean Ziegler, mittlerweile 82, als Koryphäe der Globalisierungskritik im Interview mit dem Regisseur nochmals aufbegehrt, ist eine Leistung von Offshore. Mit brandaktuellem Thema und wichtigen Fragen an das Phänomen Whistleblowing ist Werner Schweizers Film ohne Zweifel sehenswert.