«Bist du gut, wirst du kopiert. Wer nicht kopiert wird, taugt nichts», sagt eine Figur in Jürg Neuenschwanders Dokumentarfilm. Kopiert werden ist in China nicht etwa ein Affront, sondern ein Kompliment; Verbesserungen am kopierten Produkt sind ein Ansporn zur Weiterentwicklung und ein gesamtgesellschaftlicher Fortschritt, der schliesslich allen dient.
The Chinese Recipe porträtiert drei Unternehmen aus Festlandchina, die durchs Kopieren geschäftlichen Erfolg erzielt haben. Der Unternehmer Zhou baut Stereoanlagen – «besser als das Original». Seine Baupläne findet er im Internet, die High-End-Komponenten secondhand in einer südchinesischen Stadt, die sich ganz dem Handel mit Elektroschrott verschrieben hat, und seine Kunden via Webshop. In einem zugigen, verstaubten Lagerraum verkauft er seine Anlagen zu einem Zehntel des Preises der teuren Originale.
Die Schweizer Firma Bühler fusioniert mit ihren chinesischen Kopierern. Diese waren zuvor Angestellte und haben kurzerhand Know-how und Baupläne ihrer Herkunftsfirma verwendet, um sich selbstständig zu machen. Innert kurzer Zeit übertrafen die Maschinen, die sie herstellen, das Original. Der CEO von Bühler erzählt, wie er beim Treffen mit den chinesischen Firmenbossen Vertrauen fasste und auf Zusammenarbeit setzte, statt um Patente zu prozessieren: eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Das junge chinesische Start-up Hex kopiert Drohnen. Die Mitarbeiter hacken im Internet Baupläne und entwickeln eine App, um ihre Drohnen mittels Smartphone steuerbar zu machen. Ihr Interesse ist nicht nur geschäftlicher Natur: Es geht ihnen auch um die Demokratisierung des Wissens. Ihre Software soll als Open Source allen gratis zur Verfügung stehen; damit wird das Machtmonopol, Drohnen zu konstruieren, Regierungen und Waffenfirmen entzogen, und die Arbeit von Hex erhält sogar einen revolutionären Anstrich.
Der ruhige und zurückhaltende Filmstil legt den Fokus ganz auf die Porträtierten, die in klassischen Interviewsequenzen von sich erzählen und die wir immer wieder bei der Arbeit beobachten können. «Mutig und klug», lautet der Titelzusatz des Films, womit denn auch gleich klar wäre, wie der Filmemacher seine Figuren sieht. Aus Schweizer Sicht mag erstaunen, dass das Kopieren in China viel grösseren rechtlichen Spielraum hat als in Europa. Nicht das Verteidigen geistigen Eigentums und die Konkurrenz stehen im Vordergrund, sondern die Zusammenarbeit und Gemeinschaftlichkeit des technologischen und wirtschaftlichen Fortschritts, der Stärke schafft.