SENTA VAN DE WEETERING

ZU ENDE LEBEN (REBECCA PANIAN)

SELECTION CINEMA

Die Regisseurin Rebecca Panian, Jahrgang 1978, beschäftigt sich 91 Minuten lang mit dem endgültigsten aller Themen: mit dem Tod. Die Regisseurin hat Künstler, Wissenschaftler, Ärzte und Pflegefachpersonen, alte Menschen, eine Pfarrerin und Menschen, die jemanden verloren haben, nach ihren Gedanken zum Tod befragt. Parallel zum Film Zu Ende leben entstand das Buch «Zu Ende denken», in dem sich die Interviewten und weitere Personen Gedanken zum Tod machen. Im Film begleitet Panian in einem zweiten Strang Tom Niessl, dem ein Hirntumor diagnostiziert wurde und der daraufhin sein Leben radikal verändert hat – zum Besseren, wie er selber und seine Familie feststellen. Dazwischen sehen wir, wie ein Baum gefällt wird und wie aus dem Holz etwas entsteht, das erst am Ende des Films erkennbar wird.

Es ist der Protagonist Tom Niessl, der dem Film emotionale Tiefenschärfe gibt. Er erzählt offen, reflektiert und mit Humor von seinem Leben und den Veränderungen, die das Wissen um den Tumor gebracht hat. Bevor bei dem athletischen, fünfzigjährigen Besitzer eines Velogeschäfts ein Hirntumor entdeckt worden war, stellte er eine zunehmende Gereiztheit fest und regte sich über alles auf. Zunächst vermutete er eine Depression, doch als zusätzlich Lähmungserscheinungen auftraten, zeigte sich, dass der Grund körperlicher Natur war. Er schaffte es, aus der Krankheit eine Chance zu machen, gab seinen Beruf auf und beschloss, sein Leben so zu leben, wie er es wollte. Der Film zeigt ihn mit seinen Geschwistern, vor allem seinem Bruder und dessen Kindern, mit seiner Mutter und mit einer Freundin auf der Reise nach Finnland, wo er sich einen Wunsch erfüllen und die Polarlichter sehen will. Er selber fasst seine Haltung folgendermassen zusammen: «Dass mein Leben bald mal zu Ende ist, ist mir nicht bewusst. Ich denke nie daran. Keinen Augenblick. Wozu denn? Mir ist es wichtiger, ganz bewusst im Hier und Jetzt zu leben, als übers Sterben nachzudenken. Ob ich das alles verdrängt oder verarbeitet habe, weiss ich nicht. Scheissegal. Hauptsache, es geht mir gut.»

Daneben wirken die Statements der Interviews oft etwas blass und schaffen es nicht immer, über Gemeinplätze hinauszukommen. Da ist zu hören: «Wenn wir ewig leben würden und es den Tod nicht gäbe, würden wir gar nicht begreifen, was Leben ist» oder «Trauer muss man zulassen. So wie die Gesellschaft den Tod verdrängt, verdrängen wir auch die Trauer.» Am erfrischendsten ist die Antwort einer über Neunzigjährigen auf die Frage, was sie täte, wenn sie wüsste, dass morgen ihr letzter Tag sei. «All mein Geld abheben und eine riesige Party veranstalten.» Sie hoffe, danach so sehr einen sitzen zu haben, dass sie gar nicht merke, wenn der Tod sie dann holen komme.

Senta Van de Weetering
Filmwissenschaftlerin und Germanistin. Arbeitete als Journalistin, Redaktorin, Moderatorin und Texterin. Heute arbeitet sie für die Unternehmenskommunikation der Hochschule Luzern und im Team der Internationalen Kurzfilmtage Winterthur.
(Stand: 2020)
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