Mit seinem Charme soll Lionel Baier die Schauspielmuse Almodóvars, Carmen Maura, für seinen neuen Spielfilm gewonnen haben. Und ebenfalls mit viel Charme inszeniert der Westschweizer Regisseur seine Tragikomödie zum Thema Tod und Sterben, für die er symptomatisch den Titel La vanité gewählt hat – in Anspielung auf das kunstgeschichtliche Vanitas-Motiv, das auf die Vergänglichkeit allen irdischen Lebens verweist.
Patrick Lapp – den wir bereits aus Baiers letztem Film Les grandes ondes kennen – spielt in La vanité den todkranken Architekten David Miller. Dieser will sich im einst gemeinsam mit seiner Frau in den 1960er-Jahren erbauten Motel mit der dazugehörenden Bar Hollywood das Leben nehmen. Dazu ist er einer Sterbehilfeorganisation beigetreten, auf deren Assistentin er nun wartet. Diese – mit dem symbolträchtigen Namen Esperanza (Carmen Maura) – soll ihm die tödliche Dosis verabreichen. Doch stellt sich im Lauf der Vorbereitungen heraus, dass sie zum einen unerfahren und eigentlich gar nicht befugt ist, ihm beim Freitod zu helfen – zum anderen ihn insgeheim von seinem Vorhaben abbringen will. Zu den zweien gesellt sich der aus Russland stammende, umgängliche Treplew (Ivan Georgiev in seiner Debütrolle), der im nebenan liegenden Zimmer sein Geld mit Prostitution verdient (und in einem kurzen Cameo-Auftritt auch Regisseur Baier als Kunde empfängt).
La vanité wurde vorwiegend im Studio gedreht. Und tatsächlich verleiht der Umgang mit dem Raum der Inszenierung etwas Theatralisches: mit Türen und Wänden, an denen man lauscht oder durch sie hindurchspäht, einem geheimnisvollen Vorhang, der sich bauscht und der sich schliesslich als symbolischer Durchgang zur Jugend, zur Vergangenheit entpuppt. Dazu kommt noch das kleine Figurenarsenal, für deren Charakterzeichnung sich Baier von Tschechow inspirieren liess, der «die Tragödie mied und den Figuren selbst die Wahl liess, ob sie tragisch sein wollen oder nicht», wie der Regisseur sagt. Um die Chronologie zu durchbrechen, verschachtelte Baier Gegenwart und Vergangenheit – vielleicht mitunter etwas zu sehr. Flashbacks durchsetzen die Geschichten der Charaktere ebenso wie diejenigen des Settings: eingestreutes Archivmaterial in Schwarzweiss aus den Jahren, als das Motel samt Schwimmbad noch rege benutzt oder als eine für die damalige Zeit zukunftsweisende Strassenführung in der Stadt Lausanne geplant wurde.
La vanité handelt vom Sterben und Vergehen, aber auch von Menschlichkeit und der Komplexität familiärer und anderer Gefühle. Zudem ist der Film eine Hommage an die Heimatstadt des Filmemachers und das real existierende Motel Vert-Bois nahe Lausanne, kurz bevor dieses das Zeitliche segnete und abgerissen wurde. Der Film meistert die Gratwanderung zwischen Tragik und Komik beschwingt und mündet in eine nächtliche Odyssee mit offenem Ende.