ELKE RÖSSLER

THE PIANO (JANE CAMPION, AU/NZ/F 1993)

MOMENTAUFNAHME

Es gibt im Leben Momente, wo sich alles verdichtet, Momente, die auf eine Verwandlung hindrängen. Das heissgeliebte Klavier, um das Holly Hunters Figur Ada mehr als 60 Filmminuten unter vollstem Körpereinsatz gekämpft hat, muss am Ende von ihr selbst im Meer versenkt werden. Ada muss sich befreien, um eine andere zu werden und, nach Jahren der Stummheit, ihre Stimme wiederzufinden. Jane Campion hat Frauen in den 90ern eine Stimme gegeben. Bei ihr bin ich zum ersten Mal der Wucht und der Kraft begegnet, die das Er­zählen in Bildern auslösen kann. Der Anblick des versinkenden Klaviers hat auch in mir eine Verwandlung angestossen. Ich wusste, ich wollte das auch lernen, so zu erzählen: auch wenn der Film als männliche Domäne galt. Ich warf mein Studium über Bord, um ganz neu anzufangen. Ich bewarb mich an der Filmhochschule, um das zu lernen, was Jane Campion in The Piano so meisterhaft gelungen ist: das Erzählen in Bildern.

Elke Rössler
*1969 in Jugenheim/Bergstrasse (D). Sie studierte deutsche und russische Literatur in Konstanz und Berlin und war Mitglied der Off-Theater-Gruppe THEAGOVIA (Bürglen, TG). Von 1997-2003 studierte sie Drehbuch und Dramaturgie an der Hochschule für Film und Fernsehen «Konrad Wolf» in Potsdam Babelsberg. Seit 2003 arbeitet sie als freie Drehbuchautorin für Film und Fernsehen. Sie lebt in Berlin und Nürnberg.
(Stand: 2017)
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