«Legenden sterben nicht», heisst es im Volksmund. Martin «Tino» Schippert, erster Präsident der Schweizer Hells Angels, wurde bereits zu Lebzeiten zur Legende. Und wie es sich für die Legendenbildung schickt, war auch sein Ableben im bolivianischen Dschungel derart mysteriös, dass sein Bruder noch Monate nach der Todesnachricht am Wahrheitsgehalt dieser Nachricht zweifelte.
In Anlehnung an Willi Wottrengs Buch «Tino – König des Untergrundes» rekonstruiert der Filmemacher Adrian Winkler das Leben dieser streitbaren Figur. Relativ klassisch tut er dies mit einer Mischung aus Zeitzeugeninterviews und Archivmaterial. Wobei vor allem die Archivaufnahmen faszinieren. Wenn sich die Rockergang als ein freier Hort für Kameradschaft präsentiert, sich Tino in einem reichlich schrägen Werbespot für Zigaretten selber spielt oder in einer verqueren Performance im wahrsten Sinne des Wortes auf die Nationalflagge scheisst, so ist dies unterhaltsam und entlarvend zugleich. Paradoxerweise entsteht gerade in diesen Momenten der Selbstinszenierung das Gefühl, der wahren Persönlichkeit des «Frozen Angel» am nächsten zu kommen.
Weniger gelungen sind hingegen die Interviews. Obwohl Winkler unter anderem mit Tinos drei Freundinnen sowie seinem Bruder gesprochen hat, gehen die Gespräche leider meist nicht über oberflächliche Zuschreibungen hinaus. Weder vermögen sie an der Legende zu kratzen noch Tinos Persönlichkeit wirklich fassbar zu machen. Und so fragt man sich irgendwann: War Tino einfach nicht mehr als modische Oberfläche, ein Abziehbild der Gegenkultur?
Solchen Fragen geht der Film freilich nicht nach. Winkler konzentriert sich vielmehr darauf, die wichtigsten Stationen von Tinos Leben nachzuzeichnen: angefangen beim Aufstieg vom Halbstarken zum Kopf der Hells Angels über die ungerechtfertigte Verhaftung bis hin zu seiner Flucht nach Bolivien. Lange Fahrten entlang einsamer Landstrassen, die als durchgängiges Motiv immer wieder dazwischenmontiert werden, illustrieren dabei Tinos Lebensgefühl, wirken aber oft auch hemmend auf den Drive der Handlung.
Tino – Frozen Angel ist eine solid gemachte Dokumentation, die einige spannende Einblicke in ein Stück Schweizer Gegenkultur liefert. Tinos Lebensgeschichte wird in Winklers Film anschaulich nacherzählt, auch wenn man sich hie und da wünschte, der Filmer hätte mit etwas mehr Schärfe hinter die sagenumwobene Fassade der Hauptfigur geschaut.