Eine kurze Texteinblendung bildet den Auftakt zum Kurzfilm Steher von Regisseur Adrian Winkler: «Steherrennen waren bis in die 80er-Jahre Publikumsmagnete. Heute jagen nur noch ein halbes Dutzend Gespanne durch die Steilwandkurven der 100-jährigen Rennbahn in Zürich-Oerlikon. Sie sind wohl die letzten ihrer Art.» Danach setzt auf der Tonspur ein erhöhter Herzschlag ein, langsam wird der Blick eines Fahrers auf die Fahrbahn sichtbar und der Atem setzt ein. Der ästhetisch überzeugende Kurzfilm ist ein Denkmal an eine langsam aussterbende Sportart und insbesondere an die historische Stätte, in der die Sportler um die Siege kämpfen.
Im August 1912 wurde in Oerlikon die offene Rennbahn eröffnet. Sieben Bahn-Radweltmeisterschaften wurden in der ovalen Betonkonstruktion ausgetragen. Doch bei Regen ist eine Austragung von Rennen wegen der Absturzgefahr in den Steilkurven mit über 40 Grad Neigung unmöglich. Der Bau des Hallenstadions 1939 gleich nebenan führt zusammen mit dem Nachlassen des Interesses für den Bahnrennsport zu schwierigen Zeiten für die offene Rennbahn. Seit 2003 sorgt die Interessengemeinschaft offene Rennbahn Oerlikon dafür, dass von Anfang Mai bis Ende September jeden Dienstagabend ein Rennen stattfindet. Da aber die Rennbahn auf einem wertvollen Gelände steht, ist die Zukunft ungewiss. Der Vertrag der IG offene Rennbahn läuft noch bis Ende 2014.
Abgesehen von der einführenden Texttafel kümmert sich Regisseur Adrian Winkler jedoch gar nicht um die politischen oder finanziellen Hintergründe. Er lässt durch eindrückliche Impressionen von einem Steherrennen die Faszination für die anachronistisch anmutende Sportart nachvollziehbar werden. Im ruhigen Einstieg schwirren Insekten als helle Lichtpunkte vor den Scheinwerfern umher, klatschende und schwatzende Menschen sind zu hören. Einige Männer in Ledermontur ziehen Helme an und steigen auf Motorräder. Das Summen ihrer Motoren dominiert für die nächsten Minuten die Tonspur. Dann kündigt der Platzsprecher ein Rennen an, Velofahrer steigen auf ihre Renngeräte. Aus unterschiedlichsten Perspektiven führen Winkler und sein Kameramann Simon Huber direkt an das Geschehen in der Rennbahn heran. Grossaufnahmen zeigen, wie ein Schrittmacher das Rennen vor und hinter sich überwacht, der vorbeiziehende Beton mit seinen Markierungen lässt den Blick der Fahrer erkennen. Dazwischen verweilt die Kamera auf dem anwesenden Publikum, das mit synchronem Kopfschwenken das Rennen verfolgt. Aufnahmen der Anzeigetafel verdeutlichen, dass der Sport aus einer anderen Zeit stammt. Dann läutet die Glocke die letzte Runde ein, noch einmal ist der Atem eines Fahrers zu hören, das Publikum zollt mit Applaus seinen Respekt.