Wann bei der Buchlektüre das drohende Ende naht, ist aus den noch ungelesenen Seiten immer ersichtlich. Bei Spielfilmen liefert das Kinoprogramm dafür einen Anhaltspunkt, zuverlässiger aber zeigt der rückwärtszählende Timer des DVD-Players an, womit man noch rechnen und wie lange man noch schwelgen darf. Fernsehserien ab Konserve endlich versprechen länger andauernde und ununterbrochene Glückseligkeit; ihre Verheissungen bemessen sich nach den anstehenden Staffeln und Folgen. Das Finale wird ebenso herbeigesehnt wie gefürchtet, anfängliches binge viewing weicht retardierendem Konsum. Aber sogar die sagenhaften 122 Episoden von Homicide – Life on the Street (NBC, 1993–1999) gelangen einmal an ihr Ende. Wirklich trostlos ist der Fall von Luck (HBO, 2011–2012): Der Tod eines dritten Pferdes setzte der Produktion der zweiten Staffel ein Ende. Mangels Hoffnung auf Fortführung markiert der Cliffhanger am Schluss der ersten Staffel nun eine fabula televisifica interrupta. Es ist, wie wenn in Psycho auf die Ermordung Marion Cranes direkt der Abspann folgte.
MOMENTAUFNAHME
*1972, Studium der Deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft, Filmwissenschaft und Kriminologie an der Universität Zürich, Abschluss mit einer Lizentiatsarbeit zur Filmzensur im Kanton Zürich von den Anfängen bis 1945. Seit Mai 2010 Teilnahme am Doktoratsprogramm Kino und audiovisuelle Dispositive: Diskurse und Praktiken des Netzwerk Cinema CH (finanziert durch den Schweizerischen Nationalfonds) mit einem Dissertationsprojekt zur Zürcher Filmzensur seit 1945. Seit 2011 Mitglied der CINEMA-Redaktion.
(Stand: 2016)