Eine asiatisch aussehende Frau tanzt sich durch den herbstlichen Wald, ihre Bewegungen eine Mischung aus Ballettkür und Improvisation. Im nächsten Bild fünf Männer, die auf einem Holzstapel volkstümliche Klänge komponieren, inklusive Hackschläge mit dem Holzbeil: Die Berner Kummerbuben sind bekannt für ihre düsteren Neuinterpretationen von Schweizer Volksliedern, so hauchen sie beispielsweise dem Mundarthit Anneli, wo bisch geschter gsi? den unheimlich inzestuösen Atem ein, den es verdient. Die Ballerina Izumi Shuto steht auf die raue Boshaftigkeit der Band, und 2009 erfüllt sie sich einen lang gehegten Traum: Sie choreografiert mit dem Ensemble des Berner Balletts ein Tanzstück zu den eigens dazu komponierten Liedern der Buben.
Die erste Parallelmontage von Steve Walkers Buebe gö z’Tanz setzt sogleich den Ton des Films: Harte Jungs treffen auf zarte Ballerinas, die chaotische Welt der alternativen Musikszene kontrastiert mit der eisernen Disziplin des Berner Balletts. Simon Jäggi, der Sänger der kratzigen Rockband, gibt grinsend zu, dass er vor dieser Zusammenarbeit noch nie im Ballett war. Walker dokumentiert den unkonventionellen Prozess dieser künstlerischen Mischehe, die vor den Rängen des schmucken Stadttheaters Bern ihre Premiere feiern soll. Was bei einem Bier mit zwei netten Tänzerinnen beginnt, entwickelt sich zur knallharten Zerreissprobe für die Bandmitglieder, deren unterschiedliche Visionen immer mehr aufeinanderprallen.
In den bespiegelten Räumen des Berner Balletts proben die Tänzer mit ihren ambitionierten Choreografinnen Izumi und Martina in ihrer beschränkten Freizeit bis zur Erschöpfung. Die mageren Körper kontrollieren jede Bewegung, und auch in den Interviews wirken die Spitzensportler zuweilen wie perfekt funktionierende Muskelmaschinen, die kein Leben ausserhalb der Bühne haben. Im Probekeller der Kummerbuben hingegen wird kettengeraucht, und auch sonst menschelt es heftig. Mario Batkovic wird bald Vater und sieht sein Talent brachliegen, sein Bandgenosse Higi Bigler fühlt sich alleingelassen mit der Logistik und tut sich schwer mit Marios Unverbindlichkeit. Als auch noch Izumi einen Zusammenbruch erleidet, steht das Projekt auf der Kippe.
Walker konstruiert den Arbeitsprozess gekonnt nach dem Muster eines politischen Thrillers: Spannungsbögen, Krisen und Zusammenbruch, bis hin zum dramaturgischen Höhepunkt der Aufführung. Neugierig, doch nie aufdringlich rückt der Kameramann Markus Heiniger universell gültige zwischenmenschliche Mechanismen ins Bild, welche kreative Prozesse bestimmen. So entsteht ein kleines Filmjuwel, das – bis hin zur sorgfältig gestalteten Titelanimation und der gelungenen Website – auch eine Hommage an Beruf und Willenskraft des Künstlers ist.