Die erste Kamerafahrt von Stefan Schwieterts neuem Musikdokumentarfilm setzt bereits den formalen und akustischen Akzent des Films. Sie folgt Marcel Cellier durch seine nostalgisch mit Instrumenten und Auszeichnungen dekorierten Zimmer, bis der betagte Musikproduzent – einem andächtigen Gebet vor einem Altar gleich – seinen Plattenspieler bedient und eine kraftvoll sehnsüchtige Frauenstimme die Räume beschallt, sie in ihren tiefkehligen Jauchzgesang einhüllt, einer musikalischen Umarmung gleich. «Le Mystère des Voix Bulgares», so heisst die Platte des begnadeten Frauenchors aus Sofia, dessen Stimmen Celliers Musiklabel in den 70er-Jahren Weltruhm bescherten. Ratternde Dia-Bilder und die Tonspur einer altbackenen Radiosendung anlässlich des 85. Geburtstags von Cellier beleuchten die Abenteuer des Waadtländers und seiner Frau Catherine, die schon zu kommunistischen Zeiten immer wieder hinter den Eisernen Vorhang reisten, um dort musikalisches Neuland zu durchforsten, unermüdlich und stets im Kampf gegen das stalinistisch geprägte Misstrauen gegenüber Westlern. In den abgelegensten Dörfern von Rumänien werden sie fündig, verzaubert von neuartigen Klängen der Panflöte, Taragot und Cimbalom.
Balkan Melodie erzählt die Erfolgsgeschichte der Celliers, die ihre balkanischen Musikschätze auf Platten und später auf CDs aufnahmen, in alle Welt verkauften und von deren Gewinn reich wurden. Der Film beleuchtet aber auch die Komplikationen der Freundschaft zwischen den Celliers und ihrem musikalischen Zögling Gheorghe Zamfir. Der Panflötenvirtuose spielt 1972 in den schicken Kaffeehäusern von St. Gallen. Cellier erkennt das unglaubliche Talent des Rumänen und holt ihn nach Lausanne. Hier wird die klangliche Ehe zwischen Zamfirs Panflöte und Celliers Orgelklängen geschlossen, ihre gemeinsam produzierte Platte verkauft sich 1,5 Mil- lionen Mal.
Schwietert verwebt in unverkennbar geduldiger Dramaturgie Archivaufnahmen, Zeitungsausschnitte und Dia-Bilder mit den anekdotenreichen Erzählungen der Celliers und deren favorisierten osteuropäischen Künstlern. Stellenweise muten die Monologe der selbstverliebten Protagonisten arg geschwätzig an, und der Spagat, ihren persönlichen Blickwinkel immer wieder mit den politischen Wirrungen des Kalten Krieges zu verbinden, fällt mitunter etwas schulmeisterlich aus. Ähnlich den Celliers, die sich selbstzufrieden in ihr Sofa zurücklehnen, fehlt dem Film die aufgeregte Spritzigkeit eines A Tickle in the Heart oder von Heimatklänge. Auch die abschliessende, technisch einwandfrei gefilmte, aber überinszenierte Kusturica-Hommage soll verziehen sein, wenn die auf einem Traktor drapierten Musiker mit rhythmischer Wucht Herz und Beine erzittern lassen, wie es westlichen Künstlern verwehrt bleibt.