Im Zentrum von Where the Condors Fly stehen der russische Dokumentarfilmregisseur Victor Kossakovsky und die Dreharbeiten zu seinem jüngsten Film ¡Vivan las Antipodas!. Es ist ein essayistisches Making-of, das der chilenische Regisseur Carlos Klein in seinem Debüt über den genialischen Kossakovsky geschaffen hat. Dieser hatte einen kundigen Führer für Patagonien gesucht und war dabei auf Klein gestossen. Letzterer wiederum kämpfte mit einer persönlichen Schaffenskrise und nutzte das Projekt für eine Reflexion über Sinn und Zweck des Filmemachens.
Where the Condors Fly nimmt uns mit ans Ende der Welt, wo Kossakovsy auf Rekognoszierungstour geht. Wir sehen die Welt durch seine Kamera, die uns erst einmal gründlich durchschüttelt, während wir Kossakovsky aus dem Off schimpfen hören. Wild zoomt er vorwärts, rückwärts, verkantet die Kamera, schreit «Go!» und «Stop!», während unser Blick unweigerlich von ein paar hellblauen Eisbergwürfeln in der mächtigen Landschaft angezogen wird. Klein gibt uns im Lauf des Films immer wieder die Sicht frei auf die grossartigen Gegenden, die Kossakovsky filmt – aber auch Einblicke hinter die Kulissen. Und so sehen wir, wie der russische Regisseur bei der Aufnahme eines sibirischen Frauenchors vor Rührung weint oder wie er andächtig vor der Kamera sitzt, die Augen auf ein paar weisse Gänse in einem lichtdurchfluteten Stall gerichtet. Where the Condors Fly ist aber auch Anschauungsunterricht zum dokumentarischen Filmemachen: Da werden Bildausschnitte bestimmt, Verhandlungen mit der Produzentin geführt, und da wird von Kossakovsky persönlich die Ackererde umgepflügt, um ein bestimmtes Rot in die farbliche Bildkomposition zu bringen. Wir erfahren: Dokumentarfilm heisst nicht Abfilmen von Vorhandenem, sondern Gestalten von Realität. Besonders bei Victor Kossakovsky.
Der 51-jährige Kossakovsky hat in seiner rund 20-jährigen Filmkarriere nicht wenige Meisterwerke geschaffen, darunter Belov (1994) über eine russische Bauernfamilie, oder Tishe! (2003), für den Kossakovsky ein Jahr lang aus seinem Wohnungsfenster den Blick auf die Strasse filmte. Der Meisterregisseur gilt als ebenso minimalistisch wie grandios poetisch. Bei der Kreation von ¡Vivan las Antipodas! nun porträtiert Kossakovsky Menschen und Landschaften, die sich auf dem Globus diagonal gegenüber befinden. Carlos Klein begleitete ihn dabei und befragte ihn mitunter, um dann die Bruchstücke und Fragmente zu einem ausdrucksstarken Puzzle zusammenzufügen. Und so gibt Where the Condors Fly nicht nur Einblick in die Seele des grossen russischen Dokumentarfilmers, sondern zeigt auch, wie er – ausgehend von seiner Vision – die Welt für den Film neu erschafft.