BERND LEIENDECKER

(K)EIN SLASHER-FILM — PUBLIKUMSMANIPULATION IN FRED WALTONS APRIL FOOL’S DAY

ESSAY

Es käme niemandem in den Sinn, April Fool’s Day (Fred Walton, USA 1986) grossen Erfolg zu bescheinigen. Zwar konnte der Film einen moderaten Gewinn einfahren, liegt aber in einer Rangliste der kommerziell erfolgreichsten Slasher-Filme nur auf Rang 64 von 92, also im hinteren Mittelfeld.1 Auch der Erfolg bei der Filmkritik hielt sich in Grenzen – laut rottentomatoes.com erhielt der Film in 36 Prozent der auf der Website ausgewerteten Beurteilungen durch professionelle Filmkritiker eine insgesamt positive Kritik.2 Auch von den Nutzern der Seite äusserten sich nur 47 Prozent insgesamt positiv. Häufige Kritikpunkte waren die absurde Prämisse und die enttäuschende Auflösung. So klagt beispielsweise ein User: «The ending really disappointed me, and it really was a shame because everything about this film was good, right up until the end.»3

Die Handlung des Films ist schnell erzählt. Muffy St. John lädt am Wochenende des 1. April einige ihrer Mitschüler in das Anwesen ihrer Eltern ein. Das Anwesen liegt auf einer kleinen Insel, die am Wochenende von der Fähre nicht angefahren wird, und somit sind die Teenager während ihres Aufenthalts von der Aussenwelt abgeschnitten. Die Jugendlichen verbringen ihre Zeit mit Feiern und schicken sich wiederholt gegenseitig in den April. Aus Spass wird jedoch Ernst, als der erste Gast vermeintlich tot im Wasser gefunden wird und auch Muffys übrige Freunde der Reihe nach einem Killer zum Opfer zu fallen scheinen. Kit und Rob, die letzten Überlebenden, finden Hinweise, dass Muffy eine geisteskranke Zwillingsschwester namens Buffy hat, und folgern, dass diese für die Todesfälle verantwortlich sein muss. Der Showdown mit «Buffy» endet jedoch darin, dass Kit alle scheinbar Verstorbenen höchst lebendig vorfindet. Alles war ein elaborierter Aprilscherz von Muffy und sollte als Probelauf für ihre Geschäftsidee dienen. Wenn sie das Haus von ihren Eltern erbt, möchte Muffy es in ein Erlebnisgasthaus umbauen, in dem die Gäste fingierte Mordserien aufklären müssen. Die scheinbaren Leichen der «Opfer» des Testwochenendes hat ein Maskenbildner täuschend echt präpariert. In Wirklichkeit ist niemand zu Schaden gekommen.

Warum ist dieses Ende aber nun in vielen der dokumentierten Reak­tionen als so enttäuschend wahrgenommen worden? Das reine Vorhandensein eines plot twists kann nicht der Grund dafür sein, denn auch schon in den 1980er-Jahren konnte ein Film mit überraschender Wendung wie Angel Heart (Alan Parker, USA 1987) die Filmkritiker und Fans durchaus überzeugen. Vielmehr, so lautet die Grundannahme dieses Beitrags, wird die ablehnende Haltung des Publikums dadurch hervorgerufen, dass April Fool’s Day mit seiner Täuschung elementarste Grundannahmen des Films untergräbt. Dadurch übt der Film einen starken Einfluss auf die Hypothesenbildung des Zuschauers über den Fortgang der Handlung aus und führt ihn in die Irre. Mit anderen Worten: April Fool’s Day manipuliert seine Zuschauer insofern, als Fehlschlüsse provoziert werden, welche die Täuschungsabsicht des Films unterstützen. Für eine filmwissenschaftliche Untersuchung bietet sich der Film gerade wegen seiner Verstösse gegen grundlegende Zuschauerannahmen in besonderem Masse an. Getreu der Erkenntnis David Bordwells, «We notice such basic assumptions only when a film violates them»,4 hilft ein unterdurchschnittlich bewerteter Slasher-Film dabei, Teile des komplexen Regelsystems filmischen Erzählens offenzulegen, indem die zur Manipulation genutzten Konventionsbrüche herausgearbeitet werden.

Dies soll im Folgenden geschehen. Hierbei wird zunächst beschrieben, mit welchen extra- und intratextuellen Mitteln April Fool’s Day die Slasher-Genre-Erwartungen aufruft und diese dann zur Manipulation der Publikumserwartungen nutzt. Anschliessend soll die Informationsvergabe an den Zuschauer mithilfe von David Bordwells neoformalistischer Terminologie analysiert werden, um aufzuzeigen, wie im Film der Prozess der Hypothesenbildung des Zuschauers manipulativ gelenkt wird. Schliesslich wird verdeutlicht, wie Make-up-Effekte im Horrorfilm und damit auch im Sub-Genre des Slasher-Films eine prekäre Zeichenbeziehung herstellen, die durch April Fool’s Day unterminiert wird. Im abschliessenden Fazit wird deutlich, wie schwierig es selbst dann ist, die einmal gelernten Konventionen zu «verlernen», wenn dem Zuschauer seine Manipulierbarkeit durch den Bruch dieser Konventionen explizit vor Augen geführt wurde.

Killer, Opfer und ein final girl – Genre-Erwartungen

Um sich zu vergegenwärtigen, warum sich insbesondere bei einem Horrorfilm Genre-Erwartungen dazu eignen, das Publikum zu manipulieren, lohnt sich ein Blick auf die besondere Zuschauer- und Fankultur dieses Genres. In seiner Beschreibung der Horror-Fankultur unterteilt Rainer Winter das Horror-Publikum in vier Kategorien. Zunächst nennt er den Novizen, der sich im Horror-Genre nicht auskennt und durch den Konsum eines Films erste eigene Erfahrungen mit dem Genre machen möchte. Der Tourist ist ein Gelegenheitskonsument von Horror, der sich in unregelmässigen Abständen Horrorfilme anschaut, die er nach bestimmten Kriterien wie Regisseur, Sub-Genre oder positiven Filmkritiken gezielt auswählt. Der Buff hingegen verfügt über ein ausgeprägtes Genre-Wissen, das er sich durch die zum Teil mehrmalige Rezeption zahlreicher Filme und begleitender Produkte wie Fan-Zeitschriften angeeignet hat. Der Freak schliesslich ist nicht nur mit einem noch ausgeprägteren Wissen als der Buff ausgestattet, sondern zusätzlich selbst produktiv in der Fankultur tätig, indem er Fan-Zeitschriften herausgibt oder selbst Amateurfilme produziert. Buffs und insbesondere Freaks besitzen darüber hinaus umfangreiche Genre-Filmsammlungen.5 Diese Kultur von Fans, die über eine sehr ausgeprägte Genre-Kenntnis verfügen, hat nur in wenigen anderen Film-Genres eine Entsprechung. Angesichts des eingeschränkten kommerziellen Erfolgs von April Fool’s Day ist anzunehmen, dass sein Publikum vor allem aus Touristen, Buffs und Freaks bestand. Insbesondere Buffs und Freaks unterstellt Winter, dass sie sich möglichst viele Filme (und somit auch die weniger bekannten Werke) anschauen. Bei Novizen, denen das relevante Wissen fehlen würde, ist hingegen eher zu erwarten, dass sie sich an besonders populären Filmen orientieren und somit nicht zur Zuschauerschaft von April Fool’s Day zählen. Vor diesem Hintergrund kann das ausgeprägte Genre-Wissen der Zuschauer für ihre Manipulation nutzbar gemacht werden.

Schon durch seinen Titel verortet sich April Fool’s Day deutlich im Horror-Genre. Im deutschen Titel Die Horror-Party geschieht dies eher plump durch die Einbindung des Genre-Labels in den Filmtitel. Im Originaltitel wird stattdessen eine starke Verbindung zu anderen Horror- beziehungsweise Slasher-Filmen gesetzt, die einen Feiertag im Titel führen, der dann auch den zeitlichen Rahmen für den Film bildet. Beispiele hierfür sind Halloween (John Carpenter, USA 1978), Friday the 13th (Sean S. Cunningham, USA 1980), Mother’s Day (Charles Kaufman, USA 1980) oder My Bloody Valentine (George Mihalka, CAN 1981). Gerade Halloween und Friday the 13th hatten zum Zeitpunkt des Kinostarts von April Fool’s Day bereits mehrere Fortsetzungen erfahren, die das bewährte Slasher-Muster fortführten und dadurch Erwartungen prägten, die auch die Rezeption von April Fool’s Day beeinflussten.

Auch das Plakat zu April Fool’s Day provoziert bereits Rückschlüsse auf das Genre des Films. Es wird dominiert von der Abbildung einer jungen Frau, die das Glas in Richtung einer Gruppe junger Menschen erhebt. Die Jugendlichen wirken fröhlich und ausgelassen, doch die Frau hält hinter ihrem Rücken ein Messer. Zudem bilden ihre langen Haare einen Galgenstrick, ebenso wie der Buchstabe P im Schriftzug in einem Galgenstrick endet. Auch hier wird die Assoziation «Tod» geweckt. Das Messer als typische Mordwaffe des Slasher-Films und die nichts ahnenden Jugendlichen als potenzielle Opfer verweisen deutlich auf das Genre.

Noch wichtiger als diese Faktoren ist jedoch die Art und Weise, wie der Film in der Anfangsphase die Genre-Erwartungen schürt und sie anschliessend lange Zeit scheinbar erfüllt. Zur Analyse der genauen Vorgehensweise ist Britta Hartmanns Konzept des modalen priming nützlich, welches sie folgendermassen definiert:

Der Zuschauer befindet am Anfang über die Textsorte, das Genre, die «Art» der Erzählung und des Erzählens, über die epistemologische Distanz und damit auch über den Grad der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit, nimmt also eine modale Rahmung vor und richtet seinen Aneignungsstil entsprechend aus. Um den Vorgang begrifflich zu fassen, mit dem für die «Einstellung» der Rezeption auf den Modus der Informationsvergabe und auf die Affektstruktur gesorgt wird, würde ich versuchsweise von ‹modalem priming› sprechen.6

Der Slasher-Film erzählt laut Carol Clover die Geschichte eines Psychokillers, der eine Reihe von vorwiegend weiblichen Opfern nacheinander tötet. Dies endet erst, wenn er getötet oder zumindest gestoppt wird, zumeist durch das final girl, die einzige junge Frau, die seine Verbrechen überlebt.7 April Fool’s Day folgt insbesondere in der ersten längeren Sequenz, welche die Fährüberfahrt zur Insel zeigt, den stereotypen Abläufen des Genres und verfestigt so die Zuschauererwartung, einen Slasher-Film zu sehen. Die Jugendlichen werden als typische Slasher-Klischeefiguren eingeführt, wir finden beispielsweise den Bücherwurm Nan, die Sexbombe Nikki oder Harvey, den verwöhnten Sohn aus gutem Hause. Mehrmals wird die Tatsache betont, dass es sich um die letzte Fähre zur Insel handelt und die Jugendlichen somit einige Tage lang von der Aussenwelt abgeschnitten – sprich: dem Killer schutzlos ausgeliefert – sein werden. Als dann auch noch ein Aprilscherz der beiden Partygäste Arch und Skip einen tragischen Verlauf nimmt – Skip täuscht vor, mit einer Messerverletzung ins Wasser zu fallen, und im Zuge seiner Rettung verliert einer der Matrosen scheinbar ein Auge –, wird noch einmal verdeutlicht, dass das Wochenende unter keinem guten Stern steht; gleichzeitig wird mit dem potenziell rachsüchtigen Matrosen ein erster Tatverdächtiger eingeführt. Nach derartigem priming kann der Referenzrahmen eines Slasher-Films als eindeutig etabliert gelten.

Im weiteren Verlauf passiert lange Zeit wenig, was diesen Rahmen ins Wanken bringen könnte. Ein Jugendlicher nach dem andern findet anscheinend einen blutigen Tod, wenngleich dieser niemals explizit dargestellt wird. Die aufgefundenen «Leichen» und teilweise «abgetrennten Köpfe» sorgen dennoch dafür, dass der Film dem Genre entsprechend blutig bleibt. Es ist im Sinne der Konvention auch nur folgerichtig, dass mit Kit und Rob zwei der weniger stereotypen Charaktere am längsten überleben. Auch die vermeintliche Enthüllung, dass Muffy eine wahnsinnige Zwillingsschwester hat, scheint im Rahmen des Genres durchaus plausibel. Ebenso entspricht es den Erwartungen, dass Kit schliesslich in der Tradition des final girl 8 die letzte Konfrontation mit «Buffy» austragen muss, während Rob machtlos im Nebenraum eingesperrt ist. Erst die Auflösung offenbart, dass die wichtigsten Bedingungen für einen Slasher-Film überhaupt nicht erfüllt waren. Es gab entgegen Clovers Defini­tion keinen echten Killer, keine echten Opfer, und der Showdown endet ohne Sieger, da Kit und Muffy natürlich nach der Auflösung des Streichs nicht mehr weiter miteinander kämpfen.

Es ist anzunehmen, dass diese Auflösung die meisten Zuschauer bei der Erstrezeption völlig unvorbereitet trifft. Durch die zahlreichen Hinweise darauf, einen höchst konventionellen Slasher-Film zu sehen, wird der Zuschauer in seiner Hypothesenbildung entscheidend manipuliert, da er sich am Referenzrahmen des normalerweise sehr formelhaften Slasher-Genres ausrichtet und somit die Wahrhaftigkeit der Mordserie niemals hinterfragt. Erst im Moment der Auflösung wird dem Genre-Fan bewusst, dass er einerseits manipuliert worden ist und andererseits einige der erwarteten und erhofften Elemente des Slashers ausgeblieben sind beziehungsweise ausbleiben werden.

Die Tatsache, dass es keine Toten und somit auch keinen Killer gab, scheint im Speziellen einer der Faktoren zu sein, der bei den Zuschauern die negativsten Reaktionen hervorrief. Dementsprechend folgen in beiden Nachfolgeproduktionen, die sich ausdrücklich auf April Fool’s Day beziehen, im Anschluss an die Auflösung noch echte Morde. Das ebenfalls mit April Fool’s Day (Mitchell Altieri / Phil Flores [aka The Butcher Brothers], USA 2008) betitelte Remake entlarvt die fingierte Mordserie als den – schliesslich erfolgreichen – Versuch des Millionenerben Blaine Cartier, seine Schwester zunächst zu kompromittieren und anschliessend ihren Tod durch eine unter Platzpatronen gemischte echte Kugel als Unfall darzustellen. Dagegen folgt in der Episode Tuesday the 17th (James Roday, USA 2009) der Fernsehserie Psych auf die Auflösung der vorgetäuschten Mordserie in der Mitte der Episode eine echte. Der Verweis auf April Fool’s Day entsteht hier einerseits durch die Begründung der Täuschung – das von Morden heimgesuchte Feriencamp soll in ein Camp umgewandelt werden, in dem die Besucher Serienmorde aufklären –, andererseits aber auch durch die explizite Bezugnahme. Als Shawn, die Hauptfigur, die Mordserie als fingiert enthüllt, eröffnet er seine Erklärung mit den Worten: «This isn’t Friday the 13th, it’s April Fool’s Day. Same formula, but with a killer twist ending.»

Entgegen ihrer negativen Beurteilung muss angemerkt werden, dass die Auflösung im originalen April Fool’s Day keineswegs aus dem Nichts kommt, schliesslich führt der bereits beschriebene Streich von Arch und Skip zu Beginn des Films dessen Gesamtkonzept vor. Nichts ist, wie es scheint, auch Verletzungen und Todesfälle können vorgetäuscht werden. Auch im weiteren Verlauf des Films wird die Möglichkeit, dass alles nur ein Scherz sein könnte, von den Charakteren wiederholt angesprochen. So schildert Kit den Fund von Skips «Leiche» mit den Worten: «He looked dead unless he was joking.» Nur wenig später kommentiert Muffy, nachdem auch Arch verschwunden ist: «I’m not worried [...] about those two – Skip and Art [sic!]. They’re probably playing some kind of stupid trick.» Angesichts der deutlichen modalen Rahmung des Films als Slasher-Film wird diese Option vom Zuschauer (wie auch durch die Protagonisten) jedoch lange nicht ernst genommen, gerade weil die vorangegangenen Szenen scheinbar gezeigt haben, dass Skip und Arch eben keinen Scherz machten, sondern tatsächlich ermordet wurden. Wie genau der Eindruck entsteht, dass tatsächlich Morde geschehen sind, soll in der Folge aufgezeigt werden.

Lücken, Verbindungen und die Hypothesen –Communicativeness

Wie schon in der Einleitung erwähnt wurde und auch im vorherigen Abschnitt anklang, ist der Zuschauer bei der Rezeption eines Films keinesfalls passiv. Er entnimmt dem Film Informationen und bildet aus ihnen Zusammenhangs­hypothesen, die er in der Folge prüft und gegebenenfalls ändert oder verwirft. Insbesondere wird der Prozess der Hypothesenbildung durch Lücken in der Erzählung ausgelöst, die häufig zeitlicher, räumlicher oder kausaler Natur sind und sowohl ausgestellt («flaunted») als auch unterdrückt («suppressed») werden können.9

Die fingierten Mordszenen weisen nun ausgestellte und unterdrückte Lücken auf. Die wichtigste ausgestellte Lücke ist für viele Slasher-Filme charakteristisch, insbesondere wenn der Killer ein Mensch und kein übernatürliches Wesen ist: Die Szenen geben keine hinreichenden Hinweise auf seine Identität. Dies wird in April Fool’s Day bewerkstelligt, indem der Killer lange Zeit gar nicht oder nur unvollständig im Bild zu sehen ist. Den ersten vollständigen Blick auf ihn erlaubt erst der Showdown mit Kit.

Während diese ausgestellten Lücken zur Hypothesenbildung über die Identität des Angreifers anregen, sind andere Lücken eher unterdrückt und werden zumindest in ihrer Konsequenz nicht wahrgenommen. So wird an der Stelle, wo die vermeintlichen Opfer getötet werden, bewusst eine Lücke gelassen, die oft gar nicht auffällt. Dies wird bei dem «Mord» an Arch besonders deutlich. Dieser läuft auf der Suche nach Skip allein durch den Wald. Plötzlich setzt unheimliche Musik ein und das Knacken von Zweigen ist zu hören, als ob jemand ganz in der Nähe wäre. Man sieht eine Schlange in Grossaufnahme direkt neben Archs Füssen. Derartige Einstellungen auf die Schlange wechseln sich mit Nahaufnahmen von Arch ab, bis dieser in eine Falle tritt und daraufhin hilflos kopfüber in der Luft baumelt. In diesem Moment wird auch die Musik dramatischer, während die Schlange wiederholt nach Arch schnappt. In einer erneuten Grossaufnahme ist schliesslich zu sehen, wie ein Fuss die Schlange beiseiteschiebt. Die Szene schliesst mit einem Zoom auf das erschrockene Gesicht von Arch, der leise wimmert.

Die Inszenierung dieser Szene folgt den Konventionen des Slasher-Films – Nahaufnahmen des Gesichts des Opfers, die wenig räumliche Orientierung ermöglichen, unheimliche Musik, abgelegener Schauplatz und die Darstellung des Angreifers auf eine Weise, die keine Rückschlüsse über seine Identität zulässt – und dadurch wird die Sequenz insgesamt als «Mord an Arch» eingeordnet. Eine solche Zuordnung erfolgt gemäss David Bordwell, indem die genannten Einzelelemente unter Rückgriff auf Vorwissen – unter anderem auch über das Genre des Films, welches (wie bereits beschrieben) zu diesem Zeitpunkt schon hinreichend etabliert ist – zu einer Einheit organisiert werden.10 Dabei ist unerheblich, dass genau genommen nicht alle Elemente, die normalerweise zu dieser Einheit gehören, auch explizit dargestellt oder erwähnt werden. Aufgrund der suggestiven Inszenierung fällt vielen Zuschauern nicht auf, dass sie den eigentlichen Mord an Arch überhaupt nicht gesehen haben. Selbst falls einige Zuschauer diese Tatsache bemerken sollten, spricht auch der Anschluss scheinbar eindeutig für eine Deutung der Szene als Mord. Schliesslich kehrt Arch nicht zum vereinbarten Zeitpunkt aus dem Wald zurück, und wenig später wird sein abgetrennter «Kopf» im Brunnen neben dem Haus gefunden. Die anderen «Mordszenen» funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip. Teilweise wird auf derartige Szenen jedoch auch komplett verzichtet, und die noch lebendigen Partygäste finden lediglich die «Leichen» ihrer Freunde, beispielsweise in den Fällen von Nan und Harvey. Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch das Slasher-Muster bereits festgelegt, und es kommen keine grösseren Zweifel mehr daran auf, dass die beiden wirklich gestorben sind.

Die beschriebenen unterdrückten Lücken sind für die Manipulation des Zuschauers und die abschliessende Überraschung elementar. Auch Bordwell stellt fest: «If a gap is suppressed, however, surprise is the likely result, especially if the omitted information ranks low on the scale of probabilities.»11 Ein elaborierter Aprilscherz mit einer fingierten Mordserie und zahlreichen Spezial- beziehungsweise Make-up-Effekten kann auf dieser «Skala der Wahrscheinlichkeiten» definitiv als niedrig eingestuft werden. Gerade die Make-up-Effekte verdienen jedoch aufgrund ihres besonderen Status im Slasher-Film ebenfalls eine gesonderte Betrachtung.

Leichen, Körperteile und jede Menge Blut – Make-up-Effekte

Wie bereits beschrieben ist eine Mordserie das konstitutive Element des Sla­sher-Genres. Dementsprechend werden die Charaktere und mit ihnen die Zuschauer in entsprechenden Filmen mit einer stattlichen Anzahl an Leichen konfrontiert. Das englische Verb «to slash», welches mit «schlitzen» oder «aufschlitzen» übersetzt werden kann, deutet dabei auch schon die bevorzugte Mordwaffe des Genres an. Dies bedeutet natürlich nicht, dass jede(r) Tote im Slasher-Film mit einem Messer oder einer sonstigen Stichwaffe getötet wird, aber der Anteil des Einsatzes solcher Tatwaffen ist äusserst hoch. Zudem stehen so gut wie immer Tötungsweisen im Vordergrund, die einen direkten Kontakt zwi­schen Täter und Opfer erfordern und nicht aus der Distanz möglich sind – so wird im Slasher-Film kaum jemals eines der Opfer erschossen. Zudem verspricht das Verb «to slash» implizit grosse Mengen Blut und potenziell auch ab­getrennte Körperteile. April Fool’s Day scheint all diese Bedingungen zu erfüllen – so finden die Überlebenden scheinbar die Köpfe von Arch, Nan und Muffy, während Chaz offenbar verblutet ist, nachdem sein Penis abgeschnitten wurde. In Nikkis Schlafzimmer sind nach ihrem vermeintlichen Tod die blutüberströmten Bettlaken zu sehen.

Selbstverständlich wird bei der Produktion eines Films im Regelfall nicht mit echtem Blut oder echten Leichen gearbeitet. Stattdessen werden Tod und Verletzungen mithilfe von Kunstblut, nachgebildeten Leichen oder Körperteilen und sonstigen Make-up-Effekten dargestellt. Das vergleichsweise geringe Budget vieler Slasher-Filme, aber manchmal auch eine bewusste ästhetische Entscheidung führen dazu, dass diese Effekte nicht immer täuschend echt wirken.12 Dennoch wird durch den Zuschauer in keiner Weise angezweifelt, dass die Make-up-Effekte in der Realität des Films echte Fakten abbilden. Mit anderen Worten: Selbst wenn Kunstblut deutlich als solches zu erkennen ist, geht der Zuschauer davon aus, dass es sich innerhalb der Handlungswelt um echtes Blut handelt. Die Beziehung zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem lautet also Kunstblut ≥ Blut. Wenngleich sich die weiteren Ausführungen nur auf Kunstblut beziehen, sind sie gleichermassen auch auf nachgebildete Leichen oder Körperteile übertragbar.

Diese Zuschreibung nutzt April Fool’s Day aus, um die Hypothesenbildung des Publikums zu manipulieren. Wenn Kunstblut schon gemäss aller filmischen Konventionen Blut bezeichnet, kommt es zu einer Uneindeutigkeit, wenn April Fool’s Day die in Filmen weniger gängige, dennoch aber vollkommen natürliche Zeichenbeziehung Kunstblut ≥ Kunstblut nutzt. Die Beziehung Kunstblut ≥ Blut wird dadurch nicht ausser Kraft gesetzt. Schliesslich gibt es keinen Grund, anzunehmen, dass in Bezug auf die filmische Realität echtes Blut nicht ebenfalls durch Kunstblut dargestellt würde. Stattdessen wird verdeutlicht, dass Kunstblut als Bezeichnendes schon immer mehrdeutig ist. Diese Polysemie ist in den meisten Fällen irrelevant, da Kunstblut im Film selten als Bezeichnetes anzutreffen ist. Um in diesen seltenen Fällen die Beziehung Kunstblut ≥ Kunstblut zu erkennen, sind meist ergänzende Kontextfaktoren notwendig, wie zum Beispiel ein expliziter Hinweis durch eine filmische Figur, die Darstellung des gesamten Mechanismus des Spezialeffekts oder eine Reaktion der Figuren, die nur im Fall der Zeichenbeziehung Kunstblut ≥ Kunstblut Sinn machen würde.

Fool me once, shame on you. Fool me twice, shame on me? – Schluss

Wie gezeigt wurde, nutzt April Fool’s Day Genre-Erwartungen, eine verminderte communicativeness und die polyseme Zeichenbeziehung, die filmischen Make-up-Effekten zugrunde liegt, zur Manipulation der Erwartungshaltung und der Hypothesenbildung des Publikums. Dadurch legt der Film verschiedene filmische Grundannahmen offen, gerade weil er gegen sie verstösst. Wie elementar diese Grundannahmen sind, zeigt ein Vergleich der Entwicklungen, die der Auflösung der Manipulation in den beiden Nachfolgern und in April Fool’s Day selbst folgen.

Sowohl das April Fool’s Day-Remake als auch Tuesday the 17th wechseln nach der Auflösung unmittelbar in einen Modus zurück, in dem die beschriebenen filmischen Grundannahmen wieder uneingeschränkt gelten und im weiteren Verlauf weder innerhalb der Handlung noch – so ist anzunehmen – vom Zuschauer hinterfragt werden. Das Original von April Fool’s Day hingegen beweist, dass es den Figuren wie auch dem Publikum selbst nach Aufdeckung der Manipulation nur schwer möglich ist, einer erneuten Manipulation zu entgehen. In der Schlussszene des Originals wird Muffy selbst das Opfer eines Streichs, als Nan ihr mit einem Trickmesser scheinbar die Kehle durchschneidet. Erneut werden in der Darstellung Genre-Mechanismen des Slasher-Films aufgerufen. Muffy ist allein in ihrem nur spärlich beleuchteten Zimmer, sichtlich betrunken und damit relativ schutzlos jeder Bedrohung ausgeliefert. Auf ihrem Bett findet sie einen als Geschenk verpackten Kastenteufel, der schon zu Beginn des Films eine Rolle spielte. Als sich der Kasten schliesslich öffnet, setzt plötzlich sehr laute Musik ein, die unvermittelt im Bild auftauchende Nan fährt Muffy mit einem Messer über die Kehle und hinterlässt dort eine grosse Blutspur. Zumindest bis zu diesem Punkt führt die Szene beim Publikum zu Unschlüssigkeit, wie sie zu bewerten ist. Einige Zuschauer dürften auch diese Szene zunächst als Mord deuten, während andere dieses Mal nun einen Trick vermuten. Weitere Zuschauer werden die Szene vorläufig als ambivalent einordnen. Erst als Muffy realisiert, dass sie nicht verletzt ist, und Nan Muffy eine Vorrichtung an ihrem Messer zeigt, mit der sie Kunstblut verspritzen kann, wird ohne jeden Zweifel klargestellt, dass es sich erneut nur um einen vorgetäuschten Mord handeln kann. Das Aufrufen der Slasher-Genre-Erwartungen und der Zeichenbeziehung Kunstblut ≥ Blut war erneut nur ein Manipulationsversuch. In gewisser Weise fungiert diese Szene als eine Art Test, an dem der Zuschauer überprüfen kann, ob er die Lektion seiner eigenen Manipulierbarkeit nun gelernt hat.

http://boxofficemojo.com/genres/..., zuletzt besucht am 24. 5. 2012. Es ist anzumerken, dass für viele Slasher-Filme der 1970er- und 1980er-Jahre keine Daten vorliegen und die Rangliste daher alles andere als vollständig ist.

http://www.rottentomatoes.com/m/..., zuletzt besucht am 24. 5. 2012.

Ebd.

David Bordwell, Narration in the Fiction Film, Madison 1985, S. 37.

Vgl. Rainer Winter, Der produktive Zuschauer: Medienaneignung als kultureller und ästhetischer Prozess, Köln 1995, S. 162ff.

Britta Hartmann, «Von der Macht erster Eindrücke: Falsche Fährten als textpragmatisches Krisenexperiment», in: Fabienne Liptay / Yvonne Wolf (Hg.), Was stimmt denn jetzt? Unzuverlässiges Erzählen in Literatur und Film, München 2005, S. 154 –174, hier S. 168.

Vgl. Carol Clover, Men, Women, and Chain Saws: Gender in the Modern Horror Film, Princeton 1992, S. 21.

Kit ist dabei kein stereotypes final girl. Beispielsweise scheint sie eine erfüllte Beziehung mit Rob zu führen, während eine der prägenden Eigenschaften vieler final girls die sexuelle Enthaltsamkeit ist.

Vgl. Bordwell (wie Anm. 4), insbesondere S. 54f.

Vgl. Bordwell (wie Anm. 4), S. 33ff.

Bordwell (wie Anm. 4), S. 55.

Es ist davon auszugehen, dass der Grossteil der Zuschauer eines Slasher-Films in der Realität noch nie vergleichsweise grosse Mengen Blut oder einen abgetrennten Körperteil gesehen hat. In solchen Fällen wird die Entscheidung, ob ein Make-up-Effekt realistisch wirkt, vor allem im Quervergleich mit anderen medialen Erzeugnissen, insbesondere anderen Filmen, getroffen.

Bernd Leiendecker
*1982, Studium der Medienwissenschaft und der Romanischen Philologie (Französisch) in Bochum, Graz und Marne-la-Vallée. Laufendes Promotionsprojekt zur Geschichte des unzuverlässigen Erzählens im Film.
(Stand: 2013)
[© cinemabuch – seit über 60 Jahren mit Beiträgen zum Schweizer Film  ]