Fernand Melgar hat mit Vol spécial einen Film gedreht, der eine Art Fortsetzung seines Werks La forteresse (CH 2008) ist. Vor drei Jahren erzählte er den Alltag jener, die in der Schweiz ankommen und mit anderen Asylbewerbern in einem Heim landen. Jetzt erzählt er den Alltag jener, die die Schweiz verlassen müssen und zusammen mit anderen Abgewiesenen auf ihre Ausweisung warten. Wenn Melgar es nicht schon war, ist er es jetzt: der Dokumentarist des Wartens.
Das Schwerste an der Warterei ist wohl, die Würde zu wahren. Die Männer im Film schaffen es immer, und wenn sie am Ende scheitern, tragen sie keine Schuld. Ein Mann singt Lieder über seine Ausweglosigkeit, die anderen stossen dazu und summen mit. Ein anderer trainiert jeden Tag auf dem Sportplatz und hält seinen Körper in Form. Am Schluss haben sie keine Chance: Die Polizisten kommen und leuchten ihnen in den Anus, als ob sie dort eine Bombe finden könnten. Wenn sie die Männer weggefahren haben, tritt der Anstaltsleiter vor die, die noch da sind, und sagt ihnen, ihre Freunde seien zwar gegangen, doch in Würde. Wie Melgar die Reaktionen darauf einfängt, von kleinen mimischen Veränderungen bis zu langen Gesprächen ein paar Stunden später: ein Beweis dafür, wie nah er an die Männer herangekommen ist, wie viel Zeit er sich genommen hat. Es wirkt, als hätte ein Feldforscher hinter der Kamera gestanden, jahrelang und an einem sehr fremden Ort.
Neben den Porträts der Männer sind es die Szenen, in denen die beiden Seiten aufeinander treffen, die den Film auszeichnen: die Männer in ihren Zellen und die Männer, die für ihre Ausweisung zuständig sind, freundliche Verwalter des Elends. Einmal hat einer der Insassen einen Termin mit einem dieser Verwalter. Der Insasse ist aus Afrika gekommen, hat in der Nähe von Lausanne eine Stelle gefunden, eine Familie gegründet, Steuern bezahlt, sich nichts zu Schulden kommen lassen. Dennoch muss er raus, weil er keine Aufenthaltsgenehmigung hat. Er sagt dem Beamten, dass er die Schweiz nicht verlassen könne und auch keinen Anlass dafür sehe. Der Beamte sagt, sein Auftrag sei, mit ihm über nichts anderes als die Ausschaffung zu reden, die letzten Fragen zu klären. Sie streiten und starren sich an, dann brechen sie das Gespräch ab. Der Mann hat Glück. Das Gericht entscheidet zu seinen Gunsten. Für die anderen geht es schlechter aus. Sie müssen weg, einer von ihnen ist in Kloten erstickt, straff festgezurrt, wie er war. Melgar zeigt all dies ohne Kommentar. Es gibt auch keine Interviews, in denen Experten mit Erklärungen die Erzählung schwächen würden. Obwohl Melgar den Männern, die auf ihre Ausschaffung warten, mit Sympathie begegnet, macht er die Beamten nie zu Dämonen. Was ihm den Vorwurf einbrachte, sein Werk sei faschistoid. Das ist Humbug. Vol spécial ist ein reifer, trauriger, schöner Film, nach dem man das Gefühl hat, in einer gemeinen, kalten, engen Welt daheim zu sein.