NATHALIE JANCSO

HELL (TIM FEHLBAUM)

SELECTION CINEMA

Visionen der Apokalypse sorgen immer wieder für faszinierende Kinobilder: In den Mad- Max-Filmen (George Miller, AUS 1979/1981/1985) entbrennt der Kampf um das knapp gewordene Benzin, in Waterworld (Kevin Reynolds, USA 1985) geht es um das Überleben im und unter Wasser, nachdem die Pol-Kappen geschmolzen sind, und in der Romanverfilmung The Road (John Hillcoat, USA 2009) ist die Erde nach einem nicht näher erklärten Naturdesaster praktisch unbewohnbar geworden. Auf den Spuren dieser und anderer Genre-Vorbilder wandelt der junge Basler Regisseur Tim Fehlbaum mit seinem Spielfimdebüt Hell. Gleichzeitig ist ihm mit dieser deutsch-schweizerischen Koproduktion auch eine in sich geschlossene, ganz eigenwillige Mischung aus Endzeitthriller, Roadmovie und Psychohorror gelungen.

Hell ist in der nahen Zukunft angesiedelt: Die Sonne brennt seit Jahren immer heisser und bedroht dadurch das Leben auf der Erde. Die vier Hauptfiguren, zwei Schwestern und zwei zufällig zu ihnen gestossene Männer, versuchen sich mit ihrem klapprigen Auto aus der gleissenden Hölle der hitzeflirrenden Ebenen in die kühlere Bergregion zu flüchten. Doch die kleine und fragile Zweckgemeinschaft sieht sich dort bald mit einer ganz anderen Art von Hölle konfrontiert, der menschlichen nämlich. In den Wäldern haben sich die Bewohner eines ehemaligen Bauernguts zusammengerottet und schrecken, um zu überleben, auch vor Kannibalismus nicht zurück.

Mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln haben Fehlbaum und sein Team einen eigenen Look kreiert: Mit stark überbelichteten Bildern und dem steten Wirbeln des Staubs wird eine beängstigend reale Zukunftsvision einer dürren, lebensfeindlichen Welt heraufbeschworen. Die bedrohlich schwarz-verkohlten Wälder lassen eine subtile Horror-Stimmung aufkommen. Gedreht wurde in Bayern und in Waldbrandgebieten auf Korsika. Und obwohl der grosse Hollywood-Pyromane Roland Emmerich Fehlbaum bei der Vorbereitung mit Rat und Tat zur Seite stand, schafft es der Film, auch ohne ein einziges computergeneriertes Bild gut auszusehen.

Neben den visuellen Aspekten konnte Fehlbaum aber auch auf seine Schauspieler bauen. Die starken Frauenfiguren, die im Film das Sagen haben, sind mit Jungstar Hanna Herzsprung und Angela Winkler, die die Bauernfrau gekonnt unheimlich darstellt, kongenial besetzt. Und auch für die Männerrollen konnte er mit Stipe Erceg und Lars Eidinger bekannte deutsche Schauspieler verpflichten. Fehlbaum, der während seines Studiums an der Hochschule für Fernsehen und Film München bereits mehrere erfolgreiche Kurzfilme drehte, ist eine echte Zukunftshoffnung für den deutschsprachigen Genre-Film, das hat er mit Hell, der unter anderem am Münchner Filmfest und auf der Piazza Grande am Festival in Locarno gezeigt wurde, klar unter Beweis gestellt.

Nathalie Jancso
*1969, Studium der Anglistik, Filmwissenschaft und Germanistik an der Universität Zürich. Arbeitet als Filmredaktorin beim Schweizer Fernsehen und war von 2007 bis 2011 Mitglied der CINEMA-Redaktion.
(Stand: 2013)
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