Regisseur Daniel von Aarburg verschachtelt das kurvenreiche Leben des dandyhaften Radrennfahrers Hugo Koblet zu einer facettenreichen Doku-Fiktion. Hugo Koblet – Pédaleur de charme nimmt den Zuschauer mit in eine vergangene Zeit, als Radrennfahrer so populär wie Popstars waren. Anfang der Fünfzigerjahre kreischten die Groupies bei der Zieleinfahrt. Die Schweizer Radrennen waren riesige Volksfeste. Mittendrin Hugo Koblet, der auf seinem Zenit der Konkurrenz um Längen voraus war. Der «Schweizer James Dean», wie Koblet damals genannt wurde, hatte bei der Zieleinfahrt noch genug Zeit, sein Haar zu kämmen. Und die Siegerehrung musste warten, bis er frisch geduscht war.
Hugo Koblet wurde 1925 als Bäckersbube im Zürcher «Chreis Cheib» geboren. Ähnlich wie die Figur Heini Zürrer in Kurt Frühs Spielfilm Bäckerei Zürrer (CH 1957) zieht es ihn stets stärker auf die Radrennbahn als in die Backstube. Als Naturtalent ist er schon früh erfolgreich. Die Rivalität des Bonvivants zum ebenfalls erfolgreichen «Chrampfer» Ferdi Kübler treibt die beiden Schweizer an die damalige Weltspitze des Radsports. Hugo Koblet gewinnt bereits in jungen Jahren als erster Nicht-Italiener den Giro d’Italia (1950) und anschliessend das bedeutendste Radrennen der Welt: die Tour de France (1951). Filmreif wird dem notorischen Schwerenöter die Frauenwelt, sein laxer Umgang mit dem Geld und eine zu hoch dosierte Amphetaminspritze zum Verhängnis. Er endet als ruinierter und geschiedener Tankstellenbetreiber. Eines Mittags rast er mit überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Birnbaum bei Esslingen.
War es ein Unfall oder Selbstmord? Der Film liefert hierzu keine neuen Fakten, sondern lässt in sorgfältig ausgewählten Interviewsequenzen seinen schärfsten Kontrahenten, eine frühere Geliebte und seine engsten Weggefährten zu Wort kommen. Ferdy Kübler, Waltraut Haas, Sepp Renggli, Armin von Büren, Remo Pianezzi, Walter Bucher und Göpf Weilenmann zeichnen ein differenziertes Bild des schon früh zum Mythos gewordenen Lebemannes. Schön damit verwoben sind die schwarzweissen Archivaufnahmen der grössten Triumphe des Pedalen-Dandys.
In Nachinszenierungen erzählt Daniel von Aarburg von den Schicksalsschlägen, die sich hinter den Kulissen des Medienstars abspielten. Doch die nachgestellten Schlüsselszenen des Films verblassen hinter den Originalbildern. Und so sind die Schauspieler von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn niemand spielt die Schlaksigkeit Koblets so gut wie er selbst. Die Stärke des Biopics bleibt die behutsame filmische Aufarbeitung des faszinierenden Lebens des «Pédaleur de Charme».