RENÉ MÜLLER

URS FISCHER (IWAN SCHUMACHER)

SELECTION CINEMA

Ein schwebendes Gipfeli mit Schmet­terling, abbrennende Frauenskulpturen aus Wachs und ein knallgelber Riesenteddybär, der – mit einer überdimensionierten Nachttischlampe ver­wachsen – den öffentlichen Raum beleuchtet: Das sind alles Werke des künstlerischen Universums von Urs Fischer. Aus dem Lot geraten und verschroben wirken die Installationen, mit denen der erst 36-jährige Zürcher internationale Erfolge feiert. Fischer zeigt seine Arbeiten in den wichtigsten Häusern in Zürich, Venedig, Paris oder Sydney. Ein Höhepunkt in seiner Laufbahn ist die mit Spannung erwartete und viel beachtete Einzelausstellung im New Museum in New York 2009.

Der Filmemacher Iwan Schumacher hat bereits über die Künstler Markus Raetz (CH 2007) und Jean Odermatt (Der Wolkensammler, CH 2005) Dokumentarfilme realisiert. In seinem jüngsten Künstlerporträt zeigt er Eindrücke des Alltags von Urs Fischer. Als roter Faden dienen ihm die aufwendigen Vorbereitungen für Fischers grosse Einzelausstellung im New Museum. Schumacher interessiert sich besonders für das alltägliche Leben des Künstlers, der seit einiger Zeit in New York lebt und arbeitet. Die Einblicke sind unspektakulär, aber aufschlussreich. Ohne Kommentar zeigt er den Künstler bei Gesprächen mit Kuratoren, Technikern und Assistenten, beim Tüfteln und beim Aufbau von Ausstellungen. Zahlreiche Impressionen seiner Werke ergänzen die Dokumentation. Umgeben von Freunden, Mitarbeitern und seinen beiden Hunden scheint sich Urs Fischer am wohlsten zu fühlen. Als er sein New Yorker Atelier bezog, habe er als Erstes eine gemütliche Küche für das gesellige Zusammensein einbauen lassen, berichtet eine Kuratorin. Viel mehr Persönliches über Urs Fischer erfährt man jedoch nicht, und auch auf biografische Informationen wird weitgehend verzichtet. Schumacher legt den Fokus vielmehr auf die Arbeitsbedingungen eines international erfolgreichen Künstlers. So lässt der Dokumentarfilm Urs Fischer den Druck erahnen, der eine solche Karriere mit sich bringt: Urs Fischer muss ständig produktiv sein und trägt die Verantwortung für eine ganze Reihe von Mitarbeitern. Obwohl Fischer den Kunstbetrieb mit lakonischer Gelassenheit zu betrachten scheint, erstaunt es doch ein wenig, dass man den Künstler auf den Aufnahmen der Vernissage seiner New Yorker Ausstellung vergeblich im Kunst-Jet-Set auszumachen sucht – gut möglich, dass er gar nicht dort war.

René Müller
*1977, Studium der Filmwissenschaft, Publizistik und Neueren Deutschen Literatur in Zürich und Paris. Er ist beim Migros Museum für Gegenwartskunst für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Von 2007 bis 2012 Redaktionsmitglied von CINEMA.
(Stand: 2014)
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