CHRISTINA VON LEDEBUR

MADLY IN LOVE (ANNA LUIF)

SELECTION CINEMA

Devan ist jung und abenteuerlustig. Doch wenn es um die Liebe geht, fügt sich der junge Tamile, der seit seiner Jugend in der Schweiz lebt, den Familientraditionen. Zur Freude seines Vaters wird Devan Nisha heiraten, eine Tamilin, die er bisher nur über Skype kennt. Kurz vor der Hochzeit lernt Devan bei der Arbeit Leo kennen. Die alleinerziehende Deutsche wurde von der Liebe arg enttäuscht. In Devan findet sie nach langer Zeit wieder jemanden, dem sie sich öffnet. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf ineinander. Doch während Leo sich eine Zukunft mit Devan ausmalt, ist dieser zwischen seinen Gefühlen für Leo und den Verpflichtungen gegenüber seinem Vater und seiner Tradition hin- und hergerissen. Ohne Leo etwas von seiner Hochzeit zu erzählen, lässt er sich mit ihr ein. Doch er weiss: Früher oder später wird die Seifenblase platzen.

Madly in Love ist nach Little Girl Blue (CH 2003) Anna Luifs zweiter Spielfilm. Fünf Jahre arbeitete die Zürcher Regisseurin an der romantischen Komödie im Stile eines Bollywoodfilms, für die sie eine ihr komplett fremde Kultur kennenlernte. Zwar erlebt sie selber als Tochter ungarischer Flüchtlinge eine ähnliche Gespaltenheit der Schweiz gegenüber wie ihre Hauptfigur Devan. In die Welt der tamilischen Gemeinschaft in Zürich musste sie sich aber erst einarbeiten. Eine besondere Herausforderung war das Casting. Die dafür verantwortliche Corinna Glaus sprach unzählige Leute auf Zürichs Strassen an und fand so Laiendarsteller für die Rolle von Devans Verlobten Nisha sowie für praktisch alle Nebenrollen. Die Besetzung der Hauptrolle gestaltete sich allerdings schwieriger. Luif und Glaus wurden in London fündig. Der junge Tamile Muraleetharan Sandrasegaram, der Devan verkörpert, lernte extra für sein Schauspieldebüt in Madly in Love Schweizerdeutsch.

Im Vergleich zu Luifs äusserst feinfüh­ligem Spielfilmdebüt lässt Madly in Love einiges an Tiefe vermissen. Fast scheint es, als läge das Hauptaugenmerk des Films auf dem Porträt der tamilischen Gemeinschaft in Zürich. Das gelingt dem Film auch gut, bieten doch die Szenen in den tamilischen Läden im Zürcher Kreis 5 einen spannenden Einblick in eine nahe, aber gänzlich unbekannte Welt. Die Beziehung zwischen den Liebenden Devan und Leo bleibt allerdings etwas auf der Strecke. Natürlich hat sich Luif aktiv gegen ein Sozialdrama und für eine leichtfüssige romantische Komödie entschieden, aber ihre Anleihen beim Bollywoodkino – die Liebesgeschichte, die tragisch zu enden droht, aber in ein Happy End mündet, die Sing- und Tanzeinlagen – helfen nicht darüber hinweg, dass es der Liebe, die alle Grenzen sprengen soll, an Glaubhaftigkeit fehlt.

Christina Von Ledebur
*1975, Studium der Romanistik, Anglistik und Filmwissenschaft in Zürich. Film- und Serienredaktorin beim Schweizer Fernsehen.
(Stand: 2020)
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