SONJA WENGER

LILA, LILA (ALAIN GSPONER)

SELECTION CINEMA

In seinem 2004 erschienenen Roman Lila, Lila erzählte der Schweizer Bestsellerautor und Drehbuchschreiber Martin Suter raffiniert, amüsant und dicht die Geschichte des unfreiwilligen Hochstaplers David Kern. Der junge Schweizer Regisseur Alain Gsponer hat nun den gleichnamigen Film dazu ins Kino gebracht, vorlagengetreu mit einem zusätzlichen Schuss Charme.

David Kern ist ein einfacher Kellner ohne Ambitionen, aber heimlich und chancenlos verliebt in die Literaturstudentin Marie, die mit ihrer Clique oft im Restaurant zu Gast ist. Als David auf dem Flohmarkt ein Nachttischchen ersteht, findet er darin ein Manuskript. Es ist eine berührende und dramatische Liebesgeschichte, die ihn sofort fesselt. Seine Nachforschungen ergeben, dass niemand den Autor zu kennen scheint, worauf in David der fatale Entschluss reift, das Werk als sein eigenes auszugeben, um damit Marie zu beeindrucken.

Der miese Trick funktioniert: Marie ist nicht nur begeistert von der Geschichte, sie sieht auch den Autor mit neuen Augen. Und für die vielen Widersprüche zwischen dem Men­schen David und dem Autoren Kern scheint es immer eine halbwegs plausible Erklärung zu geben. Doch wie es gerne geht mit einer kleinen Lüge, wächst sie beharrlich und fordert immer neue Verdrehungen der Wahrheit. Denn was David nicht bedacht hat: In ihrer Begeisterung sendet Marie das Manuskript an einen Verlag – und plötzlich steht die Literaturwelt Kopf. Alle reissen sich um das neu entdeckte Talent.

Gerade als David beginnt, den Rummel um seine Person zu geniessen, holt ihn jedoch die Vergangenheit ein: Während einer Signierstunde steht Jacky, ein heruntergekommener Alkoholiker, vor ihm und gibt sich als der wahre Autor des Manuskripts aus.

Regisseur Gsponer, der bereits mit Filmen wie Das wahre Leben (D/CH 2006) oder Rose (D 2005) ein glückliches Händchen für tolle Stoffe und noch mehr Sensibilität bei deren Umsetzung bewies, schafft es auch hier, aus peinlichen Momenten den Voyeurismus herauszunehmen und das zutiefst Menschliche dahinter zu zeigen. Doch Lila, Lila lebt auch von seiner integeren Besetzung. So überzeugt Hannah Herzsprung als grundehrliche und bodenständige Marie, und auch David ist mit Daniel Brühl perfekt besetzt. Ergänzt wird das Duo durch Henry Hübchen als Jacky, der mit fettigen Haaren, schmierigem Lächeln und salbungsvollen Worten alles und jeden provoziert und am Ende doch das Beste aus ihnen herausholt.

Das alles macht Lila, Lila zu einem erfrischend ironischen Gute-Laune-Film für ein anspruchsvolles Publikum, das sich nicht mit billigen Kalauern zufrieden geben und ein Happyend verdient und erkämpft sehen will.

Sonja Wenger
*1970, ist Auslandredaktorin bei der Wochenzeitung WOZ und schreibt für das Kulturmagazin Ensuite sowie für das Bieler Tagblatt. Sie ist Gründerin der Zürcher Theatergruppe The Take Five Theatre Company und arbeitet freiberuflich als Übersetzerin, Wissenschaftsredaktorin und Malerin.
(Stand: 2011)
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