Swetlana Geier, die bedeutendste Übersetzerin russischer Literatur in die deutsche Sprache, lebt alleine in Freiburg, wo sie sich, längst im Ruhestand, tagtäglich ihrem Lebenswerk widmet: der Übersetzung von Fjodor Dostojewskis fünf grössten Werken, den «fünf Elefanten», wie sie sie selbst nennt. Eines Tages wird ihr strukturierter Alltag durch einen Unfall jäh durcheinander gebracht. Ihr Sohn verletzt sich bei einem Berufsunfall so schwer, dass er monatelang im Krankenhaus liegt. Swetlana Geier legt ihre Arbeit nieder und kocht jeden Tag für ihren Sohn.
Die Auszeit von der Übersetzerarbeit bringt Geier dazu, in ihre Vergangenheit zu reisen. Der Unfall ihres Sohnes ist nicht der erste grosse Schicksalsschlag in ihrem Leben. Nachdem die erst 15-jährige Swetlana, damals war die Familie in der Ukraine dem stalinistischen Terror ausgesetzt, ihren Vater einen Sommer lang alleine gepflegt hatte, erlag dieser den Folterverletzungen, die ihm in der Haft zugefügt worden waren. Nur wenig später verlor sie ihre beste Freundin, die als Jüdin von den einmarschierenden Deutschen hingerichtet wurde. Dennoch nahm sie daraufhin eine Stelle bei einer deutschen Firma an, für die sie, die bereits als Kind Deutschunterricht genossen hatte, übersetzte. Aus Angst, der Kollaboration angeklagt zu werden, floh sie 1943 gemeinsam mit ihrer Mutter nach Deutschland und wurde in ein Gefangenenlager interniert. Dort begann sie kurze Zeit später ihre akademische Laufbahn und wurde zu einer der renommiertesten Übersetzerinnen.
Für den ursprünglich aus Deutschland stammende, in der Schweiz aufgewachsenen Filmemacher Vadim Jendreyko, Regisseur des preisgekrönten Dokumentarfilms Bashkim (CH 2002), war der Unfall von Geiers Sohn ein unvorhersehbarer Zwischenfall. Dieser aber verhilft seinem Film zu einer neuen Dimension. Ist der Beginn von einer unglaublich sprachgewandten, kontrollierten Frau geprägt, die selbst beim Bügeln ihrer Leintücher auf die Textur des Stoffes achtet, der für sie einem Text gleichkommt, zeigt die Reise in die Vergangenheit auf einmal eine zerbrechliche Frau, die angesichts ihrer Vergangenheit auch mal verstummt. Jendreyko zieht sich, wenn er sie zu den Stätten ihrer Geschichte begleitet, auf eine beobachtende Position zurück. Kritische Fragen, die sich insbesondere bei Geiers Engagement für die Deutschen beinahe aufdrängen, stellt er nicht. Dies führt im Film zu einer sonderbaren Lücke, deren Schliessung sich Geier aber beharrlich verweigert.
Jendreyko ist ein äusserst subtiles Porträt einer aussergewöhnlichen Frau gelungen. Er verwebt in stimmigen Bildern die beiden Seiten von Swetlana Geier: Die junge, unerfahrene Ukrainerin einerseits, die alte, weise Vermittlerin der Kulturen andererseits. Der Film wurde 2009 am Festival Visions du réel in Anwesenheit der 86-jährigen Protagonistin uraufgeführt und holte dort mehrere Preise.