NATHAN SCHOCHER

SOUNDS AND SILENCE – UNTERWEGS MIT MANFRED EICHER (PETER GUYER, NORBERT WIEDMER)

SELECTION CINEMA

Sounds and Silence trägt den Untertitel Unterwegs mit Manfred Eicher. Manfred Eicher hat mit der Schallplattenfirma ECM (Edition of Contemporary Music) Ende der Sechzigerjahre das vielleicht weltweit einflussreichste Musiklabel für zeitgenössische Musik gegründet. Als musikalischer Nomade reist er um den Erdball im Bestreben, die Schönheiten zeitgenössischer Musik in möglichst perfekter Klangqualität einzufangen. Peter Guyer und Norbert Wiedmer sind mitgereist und haben dabei, anders als es der Untertitel vermuten lassen würde, nicht ein Porträt des umtriebigen Produzenten geschaffen, sondern einen Filmessay über Musik und die Stille, aus der Klänge entstehen.

Es herrscht also ganz programmatisch entweder Stille oder es spricht die Musik. Damit wir Zuschauer ganz genau hinhören, sind sowohl stille wie klingende Passagen in einer Art bebildert, die nicht vom Hören ablenkt. Bilder vom Reisen und von Landschaften, aber natürlich auch von Musikern bei der Arbeit, machen es möglich, sozusagen mit den Ohren zu sehen, wie Musik entsteht. Die im Film vorkommende Musik widerspiegelt die Vielfalt des Label-Programms und schlägt den Bogen von neuer Klassik über Jazz bis Weltmusik; ein faszinierender globaler Musikteppich, der einen durch den Film trägt.

Manfred Eicher selbst ist das Gegenteil eines Selbstdarstellers, die Musiker, mit denen er an Aufnahmen arbeitet, sind häufiger im Bild als er. Obwohl er selbst zu Protokoll gibt, dass ein guter Musikproduzent auch Musiker sein müsse, wird seine eigene Vergangenheit als Kontrabassist nur kurz thematisiert. Wir erleben dafür einen offensichtlich gleichberechtigten Partner im Dialog mit den Musikern, einen Verbündeten auf der Suche nach dem perfekten Klang. Diese Einstellung und sein Engagement tragen ihm wiederum den hohen Respekt ein, den er bei den Komponisten und Musikern geniesst.

Anstrengende Aufnahmen in einer Kirche machen den geradezu sakralen Ernst deutlich, mit dem beispielsweise Arvo Pärt mit Manfred Eicher arbeitet. Umso stärker wirkt dann der magische Moment, als Eicher und Pärt – beglückt von einer gelungenen Aufnahme – spontan zu einem Tänzchen ansetzen. Leider beleben solche unbeschwerten Momente den Film selten, etwas oft beugen sich ernste, hochkonzentrierte Mienen über Instrumente, Partituren und Mischpulte. Gut möglich, dass dieses Arbeitsethos unabdingbar ist für die Qualität der im Entstehen begriffenen Aufnahmen. Dennoch riskiert dessen Darstellung im Film, dass damit das auf Nichteingeweihte manchmal abweisend wirkende Image der zeitgenössischen E-Musik oder des Jazz zementiert wird. Das ist schade, denn wer sich dem Fluss der Bilder und dem wirklich wunderschön subtil herausgearbeiteten Klang der Musik hingibt, wird diese Vorurteile nicht bestätigt finden.

Nathan Schocher
*1978, Studium der Philosophie, Germanistik und Politikwissenschaften; schreibt als freier Journalist für verschiedene Medien. Er lebt in Zürich.
(Stand: 2012)
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