1956 war ich Praktikantin im Musée de l’Homme in Paris. Yvonne Oddon, die Bibliothekarin, nahm mich mit zu einer Privatvorstellung von Nuit et brouillard für ehemalige deportierte Frauen. Keine von ihnen hatte bis dahin Bilder von den Konzentrationslagern gesehen. Während der Vorführung begannen sie zu weinen, zu schreien. Sie erkannten die Wärterinnen wieder, zeigten mit dem Finger auf sie wie kleine Mädchen. Damals war man es nicht gewohnt, im Kino Gewaltszenen zu sehen. Im Western wurden zwar immer die Bösen umgebracht, aber das war ja nicht die Realität. Hier dagegen wurde massenhaft getötet, wurden diejenigen deportiert, die als «Untermenschen» oder «Politische» galten, wie Yvonne Oddon und all die anderen, die im Musée de l’Homme ein Netzwerk des Widerstands gegründet hatten. Dreissig Jahre später, 1985, zeigte ich den Film 15-jährigen Schülern. Danach schrieben mir Eltern und forderten mich auf, ihre Kinder aus der Klasse zu schicken, sollte ich den schockierenden Film wieder zeigen.
(aus dem Französischen von Philipp Brunner)