Der Weiler Ossona liegt im Val d’Hérens im Kanton Wallis. Das Land in der Gegend wurde bis Mitte der 1960er-Jahre bewirtschaftet, dann fanden die Bauern anderswo ein Auskommen und wanderten ab. Die Felder lagen über 40 Jahre brach und verwaldeten allmählich, bis man in den Neunzigerjahren auf politischer Ebene beschloss, die Region zu einer Entwicklungszone zu erklären und wieder wirtschaftlich zu nutzen. Jaqueline Veuve begann zu filmen, als sich dieses «landwirtschaftliche Revitalisierungsprojekt» gerade vor Ort konkretisierte. Drei Jahre lang beobachtete sie die Menschen, die mit unterschiedlichem Bezug zum Ort an der Veränderung teil hatten.
Veuve porträtiert drei «Generationen»: Die Grosseltern verbrachten ihre Kindheit und Jugend in Ossana und betonen im Alter die positiven Aspekte der «guten alten Zeit». Sie wohnen noch heute in der Umgebung, eine der Frauen beobachtet täglich mit dem Fernglas, was sich in ihrem Heimatdorf verändert. Es tut sich einiges: Die Dächer der Häuser und Ställe werden neu gedeckt und zusätzliche Bauten erstellt, es ziehen Leute ein, Tiere weiden auf den Feldern.
Bei den Renovationsarbeiten helfen Jugendliche im Rahmen eines sozialen Projekts mit. Die Teenager sind vorwiegend Secondos und fühlen sich einer interkulturellen Jugendkultur zugehörig. Sie arbeiten mit und bekommen dafür Unterricht in lokaler Geschichte und Naturkunde. Die Einheimischen zeigen ihre alten Werkzeuge und berichten aus der vorindustriellen ländlichen Welt ihrer eigenen Jugend. Diese Schilderungen illustriert Veuve mit alten Fotografien und mit Szenen aus historischen Filmen.
Die Jugendlichen betrachten die Natur mit anderen Augen und sind stolz auf die geleistete Arbeit, aber bei allem Anstand und höflichem Interesse, zieht es sie hinaus in die Welt. Sie interessieren sich mehr für Mode, Frisuren und Rapmusik als für regionale Traditionen, die nicht ihre eigenen sind.
Während die Alten und die Jungen von einer idealen Zeit in der Vergangenheit oder in der Zukunft träumen, bearbeitet die «produktive» Generation die Gegenwart. Die Bauern, Projektleiter und Interessenvertreter aus den umliegenden Gemeinden diskutieren ihre Business-Pläne und berechnen die Wirtschaftlichkeit der projektierten Bauten. Ihre moderne, mechanisierte Arbeit auf dem Hof kontrastiert mit der ländlichen Idylle, die als Bild von Ossana in vielen Köpfen noch vorhanden ist. Das kleine Paradies ist als Film und als Landstück eine Projektionsfläche für ganz unterschiedliche Vorstellungen und Lebensentwürfe.
Die Regisseurin interessiert sich weniger für die geschäftlichen Aspekte, verheimlicht in den wenigen Sequenzen aber nicht die Probleme, die sich bei der Umsetzung des Projekts ergeben. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass das Leben und die Erziehungsmethoden in den «vieux temps» wohl nicht immer so ideal waren. Jaqueline Veuve differenziert die idealisierte Sicht der Alten, aber sie kritisiert sie nicht. Wie in vielen ihrer früheren Filme legt sie Wert auf die Geschichte des Ortes und der Menschen. Es ist unübersehbar, wie schnell sich die Gesellschaft wandelt und warum es ihr wichtig ist, die Bilder zu sammeln und das Wissen zu tradieren.