NATHALIE JANCSO

HAPPY NEW YEAR (CHRISTOPH SCHAUB)

SELECTION CINEMA

Die Nacht der Nächte hat kaum begonnen, da scheint sie für Gloria schon zu Ende: Per Handy lässt sie ihr Ehemann mit einer fadenscheinigen Entschuldigung im schicken Restaurant beim Silvester-Dinner sitzen. Doch ein glücklicher Zufall will es, dass sie auf der Strasse dem jungen Taxifahrer wieder begegnet, der sie bereits am Nachmittag heimchauffiert hat. Der menschenscheue Junggeselle Pascal hat ein ganz anderes Problem: Eigentlich wollte er den Abend allein mit seinen geliebten Modellbauten verbringen. Doch dann steht seine Nachbarin vor der Tür und drängt ihm ihre Tochter auf. Der unfreiwillige Babysitter weiss nicht, was er mit dem kleinen Mädchen anfangen soll. Am anderen Ende der Stadt trinkt sich die Mutter von Zoe langsam in weinerlich-sentimentale Stimmung. Zoe sitzt wie auf Nadeln daneben und erträgt das Lamentieren kaum. Sie will nur eins: Mit ihrer Freundin in den Ausgang und Jungs aufreissen. Währenddessen irrt ein Rentner-Ehepaar durch die Strassen des Kreis 4: Sie auf der Suche nach ihm, er auf der Suche nach dem Hund, den er aus Unachtsamkeit verloren hat.

Die kleinen und grossen Dramen scheinen sich an Silvester zu verdichten. Das merken auch die beiden jungen Polizisten, die vom Streifenwagen aus das Treiben in den nächtlichen Zürcher Strassen beobachten – und gleichzeitig ganz mit sich selber beschäftigt sind. Dabei suchen alle Figuren in Christoph Schaubs Happy New Year bloss ein kleines bisschen Glück, bevor das alte Jahr zu Ende geht.

Der Reiz an episodisch erzählten (Feiertags)geschichten liegt darin, eine ganze Handvoll Figuren zu erfinden, die dem Zuschauer ans Herz wachsen. Episodenfilme bedienen sich dabei ähnlichen Mustern wie Fernsehserien: Die Hauptfiguren sollten schnell eingeführt und im Geschehen positioniert, ihre emotionale Befindlichkeit möglichst rasch definiert sein. Wie häufig in solchen Filmen scheint auch in Happy New Year zu Beginn die scheinbar unübersichtliche Zahl der Protagonisten eine Identifikation zu verunmöglichen. Doch schafft es Christoph Schaub mit einer flotten Inszenierung, dass das Interesse an den Figuren bereits geweckt ist, wenn man sie in der nächsten Szene wiedersieht.

Schaub, der sowohl als Spielfilmregisseur (Sternenberg, CH 2004, Jeune Homme, CH 2006) wie auch als Dokumentarfilmer (Bird’s Nest, CH 2008) schon etliche Erfolge vorzuweisen hat, beweist damit erneut, dass er es versteht, solide Unterhaltungsfilme zu machen.

Die durchwegs gelungene Besetzung, die bis in die kleinsten Nebenrollen aus einem Who-is-who des Schweizer Films zusammengesetzt scheint, trägt das Ihre zum Gelingen des Films bei. Herausragend ist wie immer Johanna Bantzer als schnoddrige Polizistin mit Liebesproblemen. Eine schöne Überraschung ist auch Jörg Schneider, der in der Rolle des brummigen Rentners endlich wiedermal sein Schauspieltalent beweisen darf.

Fürs Zürcher Publikum mag die Inszenierung der nächtlichen Stadt einen zusätzlichen Reiz des Films ausmachen: Vom Seeufer über das Bellevue bis in den Kreis 4 werfen Schaub und sein Kameramann Stéphane Kuthy immer wieder ungewöhnliche Blicke auf Altbekanntes und vermeiden dabei allzu festgefahrene Züri-Klischees.

Nathalie Jancso
*1969, Studium der Anglistik, Filmwissenschaft und Germanistik an der Universität Zürich. Arbeitet als Filmredaktorin beim Schweizer Fernsehen und war von 2007 bis 2011 Mitglied der CINEMA-Redaktion.
(Stand: 2013)
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