MARTINA HUBER

UN DÍA Y NADA (LORENZ MERZ)

SELECTION CINEMA

Ein Tag nimmt seinen Lauf am Stadtrand eines Touristenortes an der spanischen Küste. Die Saison ist vorbei, die Feriengäste abgereist. Noch da sind die Sonne, der Wind, drei herumlungernde Kinder, ein von seiner Geliebten verlassener Mann und zwei Alte, die in einem Autowrack am Strand sitzen und aufs Meer hinausschauen. Ein Tag ohne besondere Ereignisse, es gilt nur eben, die Zeit und Sorgen wie Liebeskummer zu vertreiben – nichts weiter. Dem Meer kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Es spendet den Menschen in allen Lebenslagen Trost, weckt Sehnsucht und bietet Geborgenheit.

In den Kurzfilm Un día y nada lässt sich vieles hineininterpretieren: Das unendliche Meer und der ewige Wind, die die «immerwährende Natur» symbolisieren und mittendrin die Menschen in ihrer Vergänglichkeit. Die Figuren schauen sich an und vielleicht erkennen sie sich selbst im anderen, und womöglich teilen sie ein unausgesprochenes Wissen von der Endlichkeit des Lebens. Oder seiner Ewigkeit.

Solche hehren Momente hat Lorenz Merz gefühlsbetont und mit leidenschaftlicher Flamencomusik verfilmt – das hätte kitschig werden können und pathetisch. Aber der Regisseur vermeidet Klischees und platte Sentimentalität, indem er formal und inhaltlich mit Leere arbeitet. Es passiert nicht besonders viel, im Grunde nur in den Figuren drin, und sie schweigen dazu. Auch ist der Alltag in der Nebensaison nicht besonders idyllisch, die Kinder sind frech, der Liebeskummer scheint unendlich, und den Alten bleibt nicht mehr viel Zeit zu leben.

Merz erzählt seine Geschichte in ausdrucksstarken, schwarz-weissen Bildern aus ungewohnten Perspektiven. Und er führt die zum Teil sehr jungen Schauspieler zu grossen Leistungen. Sämtliche filmischen Mittel sind auf eigenständige Weise eingesetzt und sehr schön aufeinander abgestimmt.

Un día y nada gewann den Publikumspreis bei der Diplomfilmvorführung 2008 an der Zürcher Hochschule der Künste, wo er sich durch seine reizvolle Bildsprache und die unkonventionelle, knappe Erzählform deutlich vom Rest des Programms abhob. In Locarno wurde er mit dem Pardino d’argento ausgezeichnet, weiteren Preisen sollte nichts im Wege stehen.

Martina Huber
*1971, Studium der Allgemeinen Geschichte und Filmwissenschaft auf dem zweiten Bildungsweg an der Universität Zürich. Lebt in Zürich.
(Stand: 2011)
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