SONJA WENGER

FEDERICA DE CESCO (NINO JACUSSO)

SELECTION CINEMA

«Na logisch! Ich habe ihre Geschichten verschlungen», hört man oft, wenn man in seinem Freundeskreis nach Erinnerungen an Federica de Cesco fragt. Rund achtzig Bücher hat die umtriebige Autorin im Laufe von über fünfzig Jahren geschrieben. Sie gehört zu den bekanntesten Jugendbuchautorinnen der deutschen Sprache, ihr erstes Werk «Der rote Seidenschal» erfreut sich bis heute grosser Beliebtheit. Seit 1994 schreibt de Cesco auch Belletristik für Erwachsene. Höchste Zeit also, einen Blick auf das Leben der Frau zu werfen, die hinter den vielen Liebesgeschichten um starke Frauenfiguren steht.

Regisseur Nino Jacusso ist mit seinem Dokumentarfilm Federica de Cesco gleich mehreren Ansprüchen gerecht geworden: Er wollte die Persönlichkeit de Cescos auch einem Publikum zugänglich machen, das nicht unbedingt ihre Bücher gelesen haben muss, die Arbeitsmethoden der Autorin zeigen, ihr Werk «zu Wort» kommen lassen und gleichzeitig die Bedeutung der Geschichten für ihre Leserschaft ermessen.

Herausgekommen ist eine unterhaltsame und humorvolle Hommage an eine Frau mit einer besonders positiven Ausstrahlung. Federica de Cesco ist noch immer von einem unbändigen Drang zum Schreiben getrieben und wird scheinbar nie müde, stets die gleiche Botschaft in die Welt zu tragen: «Ich mag selbstbewusste Mädchen und Frauen, die das Richtige im richtigen Augenblick tun.»

Insofern verdeutlicht der Dokumentarfilm, wie inspirierend es sein kann, wenn ein Mensch sein Leben nach Prinzipien wie Aufrichtigkeit und Gleichberechtigung lebt – und daraus seine schöpferische Kraft bezieht. Dass dabei die kritischen Töne etwas zu kurz kommen, beispielsweise über eine gewisse Monotonie in de Cescos Werk, liegt vor allem daran, dass hier ein Fan seine Heldin porträtiert – und dass diese nicht nur über einen entwaffnenden Charme verfügt, sondern auch offen über ihre Schwächen plaudert.

Um die verschiedenen biografischen Elemente in der Geschichte der Autorin unterscheiden zu können, hat der Regisseur für jeden Lebensabschnitt eine andere Lichtstimmung gewählt. Zwischen ihre Erzählungen sowie Interviews mit Freunden und Fans jedes Alters schneidet Jacusso zudem visuelle Collagen von Lesungen aus ihrem Werk oder meditative Elemente. Der Film erhält dadurch einen angenehmen Rhythmus, wird durch die rein chronologische Darstellung aber streckenweise etwas monoton.

Doch auch wenn manchmal die Brüche fehlen, so ist von Kameraführung über Schnitt bis zur Musikwahl alles solide gemacht. Genau wie in einem Buch von Federica de Cesco. Schliesslich kann man nicht behaupten, ihre Bücher seien literarisch hochstehende Werke. Sie bieten vor allem kurzweilige Zerstreuung, befriedigen die Sehnsucht nach der grossen Liebe und nach exotischen Abenteuern. Viel mehr ist da nicht, weder im Werk noch im Dokumentarfilm.

Doch weil die Autorin kein Aufsehen um sich oder ihr Werk macht, wirkt sie auch im Film erfrischend sympathisch und zugänglich. Die Welt zu ändern ist nicht de Cescos Anliegen. «Ich schreibe Geschichten. Das ist seit fünfzig Jahren mein Beruf», sagt sie ganz zu Beginn. «Wenn die Menschen ein Buch mögen, dann weil es zu ihrem Herzen und ihrer Seele spricht.» Genau wie beim Film.

Sonja Wenger
*1970, ist Auslandredaktorin bei der Wochenzeitung WOZ und schreibt für das Kulturmagazin Ensuite sowie für das Bieler Tagblatt. Sie ist Gründerin der Zürcher Theatergruppe The Take Five Theatre Company und arbeitet freiberuflich als Übersetzerin, Wissenschaftsredaktorin und Malerin.
(Stand: 2011)
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