CLAUDIA PÜTZ

BLADE RUNNER (RIDLEY SCOTT, USA/HONG KONG/GB 1982)

MOMENTAUFNAHME

«Strahlend feurig stürzten die Engel, tiefer Donner rollte um ihre Küsten, brennend mit den Feuern von Ork.»

So beginnt ein Kundengespräch, als die Replikanten Roy Batty und Leon den Laden des städtischen Optikers Chew betreten. «Eye world» heisst der Laden, und der Optiker Chew macht künstliche Augen, die gefroren in vor Kälte dampfenden Vitrinen vor sich hin starren. Ich denke an Fielmann und Apollo-Filialen in der City, an Laser-Angebote für Kurzsichtige: 2999 Euro für beide Augen, schauen Sie doch einfach mal rein, in der Mittagspause, dann machen wir einen Sensibilitätstest.

Was, genau, kann ich sehen? (Als Mensch). Wo, genau, finde ich die Schulter des Orion? Welche Tram geht zum Tannhäuser Tor? (Sightseeingtour für Replikanten).

«Ich nichts wissen», sagt Chew. «Ich nur mach Augen.»

Wenn ich nur wüsste, wie L. A./Zürich/Bonn 2019 aussehen. Noch 11 Jahre, sagt der Touristenführer, der die Leute mit den beleuchteten Regenschirmen zur Schipfe führt. Bald ist Weihnachten, und ich sehe, wie Leon ihn mit gefrorenen Augen schmückt.

«Wenn du mit deinen Augen sehen könntest, was ich gesehen habe mit deinen Augen ...» Damit verlassen wir die Szene. Für heute.

Claudia Pütz
geb. 1958 im Rheinland (D). Nonnenschule, DB, Studium Germanistik, Philosophie, Psychologie, dann Filmhochschule München (Drehbuch). Bücher, Dada-Zeitschrift, Filme geschrieben, zuletzt die legendäre SF- Serie Tag und Nacht (mit Katja Früh und Daniel Howald).
(Stand: 2009)
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