SONJA WENGER

ANUK – DER WEG DES KRIEGERS (LUKE GASSER)

SELECTION CINEMA

In der Schweiz einen Spielfilm von 92 Minuten Länge ohne staatliche Unterstützung vom Bundesamt für Kultur oder dem Schweizer Fernsehen zu produzieren, das ist schon eine Leistung. Der Innerschweizer Musiker und Filmemacher Luke Gasser ist diesbezüglich beinahe schon ein alter Hase. Bereits seine ersten beiden Langfilmprojekte Baschis Vergeltung und Fremds Land hat er ohne finanziellen Segen der offiziellen Stellen in den Kasten und unter das Publikum gebracht. In seinen Filmen ist viel Herzblut, noch mehr Fronarbeit und – nach Gassers eigenen Aussagen – auch sehr viel anarchistischer, revolutionärer Geist.

Mit nur einem Drittel des ursprünglich veranschlagten Budgets, achtzehn Drehtagen bei wechselhaftem Wetter in den Innerschweizer Bergen und viel Improvisation hat Luke Gasser Anuk – Der Weg des Kriegers abgedreht. Die Geschichte spielt irgendwo in der archaischen Welt eines Berglandes und ist inspiriert von den Urvölkern und der indianischen Mystik, zu einer Zeit, als «die Geschichte noch keinen Namen», aber die Menschen schon eine Kultur hatten. Er erzählt vom Schicksal des jungen Kriegers Anuk (Luke Gasser), der mit seinem Vater Pe-Kai (Peter Schoepfer) einen letzten Initiationsritus vor dem Erwachsenwerden vollzieht. Mit geradezu prophetischer Weisheit ermahnt ihn der Vater, die Motive seiner Mitmenschen zu hinterfragen und keinem Geschenk zu vertrauen. Er schiesst zwei Schicksalspfeile in die Ferne, die den Sohn immer beschützen sollen. Kaum zurück im kleinen Dorf, entbrennt ein Streit unter den Ältesten über der Frage, wer das Volk anführen solle. Die Hauptrivalen Anuk und der hinterhältige Moa-Te (Gerhard Halter) werden ausgesandt, ihre Fähigkeiten beim Jagen unter Beweis zu stellen.

So ist die Geschichte geradlinig erzählt, aber leider auch über weite Strecken vorhersehbar und leicht beliebig. Die schauspielerischen Leistungen sind – betrachtet man die Produktionsumstände – durchaus zu respektieren, doch wirken sie stets ungeschliffen und dadurch beinahe störend im Vergleich zu den mit fähiger Hand gefilmten Bildern und der in ihrem Grundkonzept stimmungsvollen Musik.

Man hätte dem Tausendsassa Luke Gasser mehr Zeit und vor allem Geld gewünscht, damit ihm für die kräftezehrende Personalunion als Regisseur, Produzent, Autor, Hauptdarsteller und Musiker mehr Raum geblieben wäre. Denn so bleibt trotz viel sichtbarem Herzblut und bewundernswerter Kreativität der schale Beigeschmack des Unvollendeten zurück.

Sonja Wenger
*1970, ist Auslandredaktorin bei der Wochenzeitung WOZ und schreibt für das Kulturmagazin Ensuite sowie für das Bieler Tagblatt. Sie ist Gründerin der Zürcher Theatergruppe The Take Five Theatre Company und arbeitet freiberuflich als Übersetzerin, Wissenschaftsredaktorin und Malerin.
(Stand: 2011)
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