VERONIKA GROB

BREAKOUT (MIKE ESCHMANN)

SELECTION CINEMA

Schon das Intro macht überdeutlich, worum es in Breakout geht: Umgeben von versprayten Wänden, zirkulierenden Joints, flimmernden Bildschirmen und zum Rap des Schweizer Hip-Hoppers Stress liebkost der von Nils Althaus gespielte Protagonist Nia zärtlich seine Knarre. In der trostlosen Zürcher Agglo zählen neben Games, fetten Beats und Breakdance Drogen, Kriminalität und Gewalt.

Nia landet im Jugendknast, weil er sich weigert, gegen seinen Erzfeind Spirit (Stress) auszusagen, der immerhin seinen besten Freund zum Invaliden geprügelt hat. Der Gefängnisalltag ist geprägt von verfeindeten Banden (Napolitaner gegen Sizilianer, Italos gegen Jugos, Ausländer gegen Neonazis), dem unheimlich bünzligen Direktor Salis (Max Rüdlinger) und dem Aufseher Schleier (Roeland Wiesnekker), der Scherze gegen seinen hübsch ornamentierten Pulli schlecht verträgt und mit den beiden Neonazis zusammenspannt, die Nia in der Dusche prompt vergewaltigen. Zum Glück sitzen da auch noch Nias Homie Blade (Max Loong) und der jurassische Hip-Hopper Silenzio (Joel Basman), der die Einsilbigkeit der Kids auf den Punkt bringt und immer nur «Scheisse Mann, figg di!» von sich gibt. Obwohl ihm die hübsche Staatsanwältin (Melanie Winiger) helfen möchte, denkt Nia nur an Ausbruch und Rache.

Während die schöne Ex-Miss Schweiz Melanie Winiger als Staatsanwältin mit Brille doch eher verkleidet wirkt und Max Rüdlinger wieder einmal eine Satire von sich selbst spielt, sind Wiesnekker und Basman solid wie immer. Max Loong, «Music Star»-Moderator und unser MTV-Mann in Asien, sowie der Lausanner Rapper Stress sorgen für die nötige Street Credibility. Eine Entdeckung ist sicher der Berner Liedermacher Nils Althaus in seiner ersten Kinorolle. Er bekam denn auch vom Sonntagsblick den Titel «James Dean aus Gümmligen» verpasst und wurde als Schweizer Shooting Star nach Berlin geschickt. Auf seinen nächsten Film darf man gespannt sein.

Mit Breakout ist das Konzept des Erfolgsteams von Regisseur Mike Eschmann und Produzent Lukas Hoby (Achtung, fertig, Charlie!, CH 2003) nicht restlos aufgegangen: Von der Kritik in den Boden gestampft, konnte der Film das grosse Publikum nicht in die Kinosäle locken. Dies hat sicher auch damit zu tun, dass in der Schweiz die Codes und das Posing der Hip-Hopper für Leute ausserhalb der Rap-Szene oft etwas lächerlich wirken (es sei denn, der melancholisch-bleiche Eminem kämpfe für seine Ehre und für sein Girl). In Eschmanns Film bezeichnet denn auch der Apfel schälende Gefängnisdirektor die Kids als «Schwiizer Knilche, wo meinet si siget Jugos». Diese Zielgruppe durfte aber nicht ins Kino, weil der Jugendschutz den Film als zu gewalttätig einstufte. Zudem verscherzt sich Breakout ein gewaltiges Stück Street Credibility, indem seine Hipness mit gut gemeinter Sozialkritik à la «Gewalt ist keine Lösung» unterwandert wird.

Der düster-dämmrige Look der öden Vorstädte und des grauen Gefängnisalltags ist allerdings durchaus gelungen: Breakout sieht gut aus. Wenn Nia jeweils nachts in seiner engen Gefängniszelle mit virtuosem Breakdance die Wut rauslässt, nur beschienen von fahlem, durch die Gitterstäbe quadriertem Licht, so ist das so plakativ wie phänomenal.

Veronika Grob
geh. 1971, hat Literaturwissenschaften studiert und arbeitet als Filmredaktorin bei SF DRS. Mitglied der CINEMA-Redaktion seit 2002.
(Stand: 2018)
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