Am 2. Oktober 1984 wird das Zürcher Nationalratsmitglied Elisabeth Kopp zur ersten Bundesrätin der Schweiz gewählt. Die Frauen jubeln, in der Presse wird sie als «Elisabeth die Erste» und «notre ‹reine› Elisabeth» gefeiert. Nur gerade vier Jahre später gibt Kopp ihren Rücktritt bekannt. Gestolpert ist sie über ein verhängnisvolles Telefonat, in dem sie ihrem Mann, Hans W. Kopp, zum Rücktritt aus dem Verwaltungsrat der Handelsfirma Shakarchi Trading AG riet. Diese war in einem nachlässig recherchierten Artikel des Tages-Anzeigers der Drogengeldwäscherei beschuldigt worden.
Regisseur Andres Brütsch wollte wissen, wie Elisabeth Kopp heute zur eigenen politischen Laufbahn steht. Wie sieht das Leben dieser Frau aus, welches sind die täglichen Konsequenzen ihrer vier Bundeshausjahre?
In der ersten Einstellung seines Dokumentarfilms Elisabeth Kopp – Eine Winterreise lässt Brütsch die mittlerweile 70-Jährige aus dem Nebel auftauchen. Im Gespräch erhält sie nun die Gelegenheit, den Schleier zu lüften.
Als Stilmittel für die Konfrontation der Altbundesrätin Kopp mit ihrer Vergangenheit wählte Brütsch die Fahrt in einem Auto. Auf der Reise zu den Schauplätzen ihrer Karriere gibt sie ihre Gedanken zur bewegten eigenen Biografie preis. Parallel dazu zeichnet Brütsch den kometenhaften Aufstieg und den unvermeidlichen Fall der Elisabeth Kopp nach – von den Jugendjahren zum Einstieg in die Politik, wie sie dann von der Hoffnungsträgerin der Frauen zur Eisernen Lady wurde, schliesslich sogar zur Buhfrau. Zwischen die Äusserungen Kopps schiebt der Regisseur klug ausgewählte Archivaufnahmen, die sowohl das private als auch das politische Leben der Porträtierten abbilden.
Kern des Dokumentarfilms bleibt aber das intime Gespräch während der Autofahrt. Brütsch scheut sich nicht, kritische Fragen zu stellen. Kopp gibt meist offen Auskunft. Gewissen Fragen weicht sie dennoch aus, bei anderen stellt sie klar: «Das ist schliesslich etwas, das ich wissen muss.» Rechtfertigen muss sich Elisabeth Kopp nicht mehr; die Meinungen über sie sind längst gemacht. Aber die Rehabilitation Kopps war bestimmt auch nicht das Ziel von Brütsch.
Vielmehr ist dem Filmemacher ein intimes, gründlich recherchiertes Porträt einer historischen Figur geglückt, das auch durch die aufklärende, politisch durchaus brisante Perspektive überzeugt. Der Film enthüllt die Machenschaften im Machtgefüge des Bundeshauses. Trotz oder vielleicht gerade wegen der hohen Faktendichte entwickelt die Inszenierung zeitweise gar die Dynamik eines Verschwörungsthrillers.
Die Zügel entgleiten dem Regisseur einzig bei der Schilderung von Kopps Rücktritt. Diese Sequenzen wirken durch die hektische Montage von Zeitungsausschnitten sowie durch die Musikbegleitung dramatisch arg überspitzt. Diese Ausrutscher vermögen die Leistung von Brütsch aber nur geringfügig zu mindern. Elisabeth Kopp – Eine Winterreise ist ein aufschlussreicher, spannender Dokumentarfilm über eine politische Karriere.