DANIELA FIORINI / PAULA SOCOLOVSKY

FILMBRIEF AUS ARGENTINIEN

FILMBRIEF

Nuevo Cine Argentino

In der ersten Hälfte der Neunzigerjahre befand sich das argentinische Kino in einer kritischen Phase. Jährlich wurden nur zwischen elf und fünfzehn Filme produziert und es fehlte an öffentlicher und privater Finanzierung. Viele Kinosäle wurden geschlossen und von Evangelisten genutzt. An einheimischen Produktionen zeigte das Publikum wenig, an ausländischen dafür umso mehr Interesse. Unter jungen Argentinierinnen und Argentiniern war es durchaus angesagt zu behaupten: «Ich schaue mir keine argentinischen Filme an.» Die wenigen Filme, die dennoch gedreht wurden, stammten von einer Handvoll etablierter Regisseure, bedienten sich jedoch einer gestelzten Sprache und waren voller Klischees. Noch zu Beginn der Neunzigerjahre war das Instituto Nacional de Cinematografía (INCAA) die einzige Filmschule in Buenos Aires. Sie nahm nicht nur sehr wenige Schüler pro Jahr auf, sondern zeichnete sich auch durch ein äusserst elitäres System aus. Dass das argentinische Kino am Ende sei, war eine verbreitete Ansicht. Sein goldenes Zeitalter lag weit zurück – in den Fünfzigerjahren, als es eine Filmindustrie mit vielen Produktionsstudios, grossen Regisseuren und zahlreichen Stars gab, als neue Kinosäle gebaut wurden und die Filmschaffenden auf das Publikum zählen konnten.

In der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre begann das argentinische Kino seine Krise zu überwinden. Eine neue Generation von Cineasten mischte die Szene auf. Man produzierte nicht nur mehr Filme, sondern verbesserte auch deren Qualität, indem man bei Regie und Technik höhere Standards setzte. Die neuen Produktionen gehörten zu einer Bewegung, die von der Kritik als Nuevo Cine Argentino bezeichnet wurde und sowohl Kassenschlager hervorbrachte als auch unabhängige Werke von hohem ästhetischen Wert. Die Filme stiessen an nationalen und internationalen Festivals, aber auch beim breiten Publikum und in spezialisierten Kreisen auf viel Anerkennung. Dieses langsame Erwachen fand ausgerechnet während der wirtschaftlichen und politischen Krise in Argentinien statt, die durch die neoliberalen Regierungen von Carlos Menem und Fernando de la Rúa ausgelöst wurde und im wirtschaftlichen Debakel von 2001 ihren Höhepunkt fand.

Wie lässt sich erklären, dass die Filmindustrie einen rasanten Aufschwung erlebt, während sich das Land selber in einer Krise befindet? Wie wurde der argentinische Film zum Exportgut, das für seine herausragende Qualität bekannt ist? Worauf ist das «Wunder» des argentinischen Kinos zurückzuführen?

Frischer Wind in der Produktionslandschaft

Die Bedingungen für die Filmproduktion und -finanzierung änderten sich in den Neunzigerjahren. Auf Druck der Branche wurde 1995 ein Gesetz – la Ley de Cine – verabschiedet, das die Besteuerung der Kinoeintritte, des Videoverleihs und -verkaufs sowie der Ausstrahlung von Filmen am Fernsehen einführte. Dadurch verfügte das INCAA über ein höheres Budget, das direkt in die Subventionierungen zurückfloss. Zugleich gründeten jüngere Produzenten, die von der Bürokratie der staatlichen Institutionen die Nase voll hatten, kleinere Produktionsfirmen, die flexiblere Arbeitsmodelle zuliessen. Ausserdem begann jetzt auch das Fernsehen, sein Wirkungsfeld auf das Kino auszuweiten und Koproduktionen mit dem INCAA zu realisieren und junge unabhängige Filmschaffende zu unterstützen. Schliesslich ermöglichten internationale Stiftungen (vor allem Fonsud, Ibermedia und der Hubert Bals Fund) und Festivals (Sundance, Rotterdam) die Produktion von Filmen, die im eigenen Land nicht ausreichend finanziell unterstützt wurden – darunter Rapado (ARG/NL 1996), der Erstling von Martín Rejtman, einem der Vorreiter des Nuevo Cine Argentino.

Bis in die Achtzigerjahre verfügten Regisseure und Techniker der verschiedenen Sparten über keine akademische Ausbildung, sondern wurden ausschliesslich in der Praxis ausgebildet. Mit der Einführung des Studiengangs «Imagen y Sonido» an der Universidad de Buenos Aires und der Gründung von Privatschulen wie der Fundación Universidad del Cine (FUC) und dem Centro de Investigación y Experimentación en Video y Cine (CIEVYC). Dass die meisten Protagonisten des Nuevo Cine Argentino Absolventen dieser neuen Institutionen sind, führte einerseits zur Professionalisierung in den Bereichen Regie, Kamera, Schnitt und Ton, andererseits zu einem Generationenwechsel in einer Branche, die vom Aussterben bedroht war. Landesweit sind zurzeit über zehntausend Studierende an den Filmschulen eingeschrieben.

Aber nicht nur die Institutionalisierung der Filmausbildung prägte das Nuevo Cine Argentino, sondern auch Kritik und Festivals im Inland. In den Neunzigerjahren lancierte Fachzeitschriften wie El Amante und Film berichteten über kommerzielle Produktionen und machten ihr Publikum zugleich mit dem unabhängigen Kino vertraut. Ausserdem fand 1996 – nach einem Unterbruch von 26 Jahren – das Festival Internacional de Cine de Mar del Plata erstmals wieder statt und 1999 wurde das Festival de Cine Independiente (BAFICI) ins Leben gerufen. Beide Festivals unterstützen finanziell die Fertigstellung von Wettbewerbsbeiträgen und lassen dabei den Filmschaffenden viel Raum für Experimente.

Inhaltliche und formale Vielfalt

Im Unterschied zu anderen Erneuerungsbewegungen wie der französischen Nouvelle Vague, dem brasilianischen Cinema Novo oder dem dänischen Dogme 95 zeichnet sich das Nuevo Cine Argentino durch verschiedene Stilrichtungen, Genres und Produktionsarten aus. Stilistisch spannt sich der Bogen vom Realismus eines Israel Adrián Caetano oder Pablo Trapero bis hin zu den abstrakteren Versuchen eines Martín Rejtman. Kritik und Publikum assoziieren mit dem Nuevo Cine Argentino zwar den vermehrten Einsatz von Handkameras und digitalen Formaten, dennoch werden Filme nach wie vor auch auf 35 mm gedreht. Einige Regisseure wie Fabián Bielinsky oder Daniel Burman näherten sich den klassischen Genres, während sich andere gerade davon distanzierten. Filmemacher wie Lisandro Alonso arbeiten unabhängig, andere wiederum produzieren unter kommerziellen Bedingungen.

Das Nuevo Cine Argentino ist also keine homogene Bewegung. Es hat weder Statuten, noch verfügt es über ein Programm und selbst die Regisseurinnen und Regisseure verstehen sich nicht als Teil von ihm. Was die Filme dieses neuen Kinos verbindet, ist jedoch ihr historischer Kontext sowie der Umstand, dass sie im Zuge eines Generationenwechsels entstanden. Beides weist über spezifische Eigenarten der individuellen Filme hinaus und schafft eine starke gemeinsame Identität. Der Kern dieses jungen argentinischen Kinos liege, so schreibt der Filmkritiker Sergio Wolf, im Dialog, den diese Filme suchten: mit sich selbst, dem Land Argentinien und seiner Filmgeschichte.1

Was diese Werke vor allem auszeichnet, ist ihre Reaktion gegen das stark politisierte einheimische Kino der Achtzigerjahre, das im Zeichen der Wiederherstellung der Demokratie nach der Militärdiktatur (1976–1983) entstand. Die meisten damaligen Produktionen hatten die Jahre der Militärjustiz oder das Exil thematisiert, und gemäss Gonzalo Aguilar in didaktischer Absicht die Suche nach dem moralisch und politisch Korrekten angetreten.2 Die Protagonisten waren entweder gut oder böse, es gab kaum Nuancen in der Figurenzeichnung. Die Filme des Nuevo Cine Argentino zeichnen sich dagegen durch offene Enden, mehrdeutige Figuren und nicht lineare Erzählweisen aus, aber auch durch die Abwesenheit von Emphase und Allegorien, die Abwendung vom Thesenfilm, das Vermeiden von Hinweisen auf nationale Kontexte sowie die Verweigerung eindeutiger politischer Stellungnahmen. Dies alles lässt die Geschichten vielschichtig werden und vergrössert den Interpretationsspielraum des Publikums.3

Von solchen Ähnlichkeiten abgesehen, zeichnet sich das neue argentinische Kino durch die Individualität der einzelnen Filmemacherinnen und Filmemacher aus. Im Folgenden sollen vier Schlüsselfiguren dieser Bewegung und ihre unterschiedlichen poetischen Stile vorgestellt werden.

Lucrecia Martel

Lucrecia Martel, eine der kreativsten Regisseurinnen des argentinischen Kinos, wurde 1966 in der Provinz Salta geboren. Ihr erster Spielfilm La ciénaga (ARG/F/E 2001) war national und international ausgesprochen erfolgreich und wurde unter anderem an den Festivals von Sundance, Berlin und Toulouse ausgezeichnet.

La ciénaga entfernt sich von der klassischen Erzählstruktur, indem er die Geschichten zweier Familien aus Salta aufgreift, die auseinanderzufallen drohen. Es gibt verschiedene Handlungsstränge: derjenige von Mecha, einer von Apathie fast gelähmten Frau, die es nicht schafft, ihr Zimmer zu verlassen; derjenige von Mechas Tochter Momi, die sich in das Dienstmädchen verliebt; derjenige von Mechas Sohn José, der aus Buenos Aires auf Besuch kommt; derjenige von Tali, die ohne Erfolg versucht, eine Reise nach Bolivien zu unternehmen; derjenige von Talis Sohn Luciano, der bei einem tragischen Unfall verunglückt. Hinter dieser Häufung von Handlungssträngen erkannte David Oubiña folgendes Konzept: «Die Frage von La ciénaga ist: Wie baut man Spannung auf, ohne voranzukommen? Eine grössere Gruppe von Figuren verstrickt sich in kleinen Konflikten, die nicht als Gerüst für die Erzählung benutzt, sondern lediglich angedeutet werden und für die Geschichte wenig aussagekräftig sind.»4 Es sind diese «kleinen Konflikte» und «kleinsten Geschichten» (historias mínimas), die viele Filme des Nuevo Cine Argentino prägt – ganz im Unterschied zu den Filmen der Achtzigerjahre, die auf einem einzigen zentralen Konflikt beruhten.

Auch Martels zweiter Film La niña santa (ARG/I/NL/E 2004) spielt in der Provinz Salta und nimmt, wie La ciénaga, häufig den Blickwinkel von Kindern oder Jugendlichen ein. Einer der Hauptstränge erzählt von der Beziehung zwischen zwei jugendlichen Cousinen, Amalia und Josefina, und wird mit Anspielungen auf Katholizismus, Glauben und Mythos angereichert. Ein weiteres Kernthema – nicht nur in La niña santa, sondern in Martels Filmen überhaupt – ist die Begierde, die entfacht wird und in verbotene Sphären eindringt: Amalia und ihre Mutter Helena leben in einem Hotel, in dem ein Medizinerkongress stattfindet. Einer der Kongressteilnehmer macht nicht nur Amalia Avancen, sondern versucht zugleich, ihre Mutter zu verführen.

Israel Adrián Caetano

Israel Adrián Caetano wurde 1969 in Montevideo, Uruguay, geboren, lebt aber seit seinem zwölften Lebensjahr in Argentinien. Er ist Autodidakt und hat seine ersten Produktionen mit kleinstem Budget realisiert. Sein Debüt Pizza, birra, faso (ARG), das er 1998 zusammen mit Bruno Stagnaro realisierte, war einer der Ausgangspunkte für das Nuevo Cine Argentino. Die Protagonisten des Films sind einige randständige Diebe, die ihr Unwesen im Stadtzentrum von Buenos Aires treiben. Die Geschichte nimmt ein tragisches Ende, denn bei einem der Raubüberfälle wird die Hauptfigur von der Polizei getötet. Bemerkenswert ist, dass die Protagonisten nicht moralisch gewertet, sondern einfühlsam porträtiert werden. Marginalität und Kriminalität werden auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise eines Landes in Not zurückgeführt. Der Einsatz von Handkameras, der dem Film eine nervöse Note verleiht, und die Entscheidung, mit Laiendarstellerinnen und -darstellern zu arbeiten, sind für das Werk bezeichnend.

In seinem dritten Spielfilm Un oso rojo (ARG/E/F 2002) stellt uns Caetano eine weitere randständige Figur vor: El Oso, einen Häftling, der aus dem Gefängnis entlassen wird und versucht, wieder zu seinem normalen Leben mit Frau und Tochter zurückzukehren. In diesem stark vom Western geprägten Film werden wir mit der Unmöglichkeit konfrontiert, sich in eine krisengeschüttelten Gesellschaft zu reintegrieren. Der einzige Ausweg aus dieser Situation führt in die Kriminalität. Dass Un oso rojo den Übergang von einem unabhängigen zu einem eher kommerzielleren Kino markiert, ist daran zu erkennen, dass die Rollen mit bekannten Schauspielern besetzt wurden – Julio Chávez wurde zu einer Ikone des Nuevo Cine Argentino – und sowohl die Dreharbeiten als auch die Postproduktion in einem professionelleren Rahmen stattfanden.

Caetanos jüngstes Werk Crónica de una fuga (ARG 2006) ist ein Film über die Zeit der argentinischen Militärdiktatur und erzählt die Geschichte von vier Häftlingen eines Konzentrationslagers. Im Mittelpunkt steht Claudio, der trotz seiner offenkundigen Unschuld inhaftiert und gefoltert wird. Der Film beruht auf Claudio Tamburrinis autobiografischem Roman Pase libre und greift Elemente des Horrorfilms und des Thrillers auf. Dieses Vorgehen erlaubt dem Filmemacher, dem man wegen seiner frühen Werke eine Affinität zum italienischen Neorealismus nachsagte, eine Annäherung an und zugleich Neuinterpretation des nordamerikanischen Genrekinos.

Martín Rejtman

Martín Rejtman wurde 1961 in Buenos Aires geboren und studierte Film in New York und Rom. Sein Erstling Rapado war der Kraftakt eines unabhängigen Filmemachers, der jahrelang keine finanzielle Unterstützung erhielt und seinen Film an Wochenenden mit Schauspielern und Technikern drehte, die alle auf ein Honorar verzichteten.

Rejtmans Filme, wie auch seine Kurzgeschichten, porträtieren Figuren aus der Mittelschicht von Buenos Aires, die durch das Quartier Palermo streifen. Die Zeit vergeht ohne jede dramatische Zuspitzung, Szenen erreichen ihren Höhepunkt nicht, und trotzdem geschieht vieles. Abseits vom zeitgenössischen Realismus erzählt Rejtman Geschichten ohne Helden und dramatische Szenen.

In Silvia Prieto (ARG 1999) geht es um zwei Figuren, die denselben Namen haben: Silvia. Aus dieser Laune des Zufalls ergibt sich eine Komödie, in der die Dinge fast bedeutsamer sind als die Menschen. Die Stadt, Rejtmans bevorzugte Protagonistin, ist eine Art Markt, auf dem alles Mögliche zirkuliert: Geld, Drogen, Vögel und Menschen. Im dokumentarischen Fragment der Schlussszene kommen die richtigen Silvias mit den fiktiven zusammen und erzählen sich beim Tee gegenseitig ihr Leben. Einige Kritiker sahen in dieser Logik des Austausches eine Kritik am vorherrschenden Neoliberalismus.

In Los guantes mágicos (ARG/F/D/NL 2003) treibt Rejtman die Komödie auf die Spitze und reiht so viele unbedeutsame Situationen aneinander, dass der Film beinahe absurd wirkt. Die Figuren sind Menschen um die vierzig, deren Leben nicht in festen Bahnen verläuft und die ständig in Bewegung sind: Stewardessen, Limousinenchauffeure und Pornodarsteller, die für die Dreharbeiten von Land zu Land reisen. Das «rettende» Objekt ist ein Paar magischer Handschuhe, das einige Protagonisten im Lauf der Geschichte steinreich machen wird, und Rejtman zur Formulierung der Hypothese dient, dass in Wirklichkeit der Zufall das Schicksal der Menschen bestimmt.

Pablo Trapero

Pablo Trapero wurde 1970 in La Matanza (Provinz Buenos Aires) geboren. Nach dem Abschluss an der Universidad del Cine drehte er mit 26 Jahren seinen ersten Film und gründete zugleich seine eigene Produktionsfirma. Der Regisseur sieht das Kino als einen Ort des Widerstands, an dem es immer noch möglich ist, Geschichten in epischer Form zu erzählen – Geschichten von Helden und Verrätern, die durch Figuren aus dem Alltag (Arbeiter und Arbeitslose, gute und korrupte Polizisten) verkörpert werden.

In seinem ersten Langspielfilm Mundo grúa (ARG 1999), einem Film mit neorealistischen Ansprüchen, schlägt Trapero einen neuen stilistischen Weg ein. Es gelingt ihm, das Interesse des Publikums für das heimische Kino zurückzugewinnen, indem er die Geschichte Argentiniens erzählt, das in den Neunzigerjahren im Zeichen des Neoliberalismus regiert wird und kurz vor einer sich abzeichnenden Wirtschaftskrise steht. Im Zentrum steht Rulo, der sich nicht in eine Arbeitswelt integrieren kann, in der die Regeln verändert wurden und in der es für Leute, die sich mit der neuen Situation nicht «abgefunden» haben, keinen Platz gibt. Rulo sieht sich mit einer feindlich gesinnten Welt konfrontiert. Im Gegensatz dazu steht der nostalgische Blick auf eine Vergangenheit, in der alles noch einen Sinn hatte, annehmbar und verständlich war. Der Kran (la grúa) fungiert als Brücke zwischen diesen zwei Welten.

El bonaerense (ARG/Chile/F/NL 2002) erzählt die Geschichte von Eduardo Mendoza, genannt Zapa, der als junger, naiver Mann vom Land Polizist wird. Der Film ist mit einem fast dokumentarischen Blick gedreht und weist mit Nachdruck auf ethnografische und geografische Aspekte des Polizeimilieus hin. Doch zugleich werden verschiedene Genres und Erzählmuster – Polizeifilm, Drama, coming of age – miteinander vermischt, und der ungewöhnliche Mix erlaubt es Trapero, einen ungewöhnlichen Blickwinkel einzunehmen, der nicht nur für das argentinische, sondern für das lateinamerikanische Kino neu ist.

Ausblicke

Obwohl Lucrecia Martel, Israel Adrián Caetano, Martín Rejtman und Pablo Trapero das Nuevo Cine Argentino am augenfälligsten repräsentieren, sollte Daniel Burman nicht vergessen werden, dessen Filme sich um Themenkomplexe wie jüdische Identität und Adoleszenz drehen sowie um die Probleme des städtischen Bürgertums von Buenos Aires, das stets nach Europa blickt. Burmans El abrazo partido (ARG/F/I/E 2004) und dessen Hauptdarsteller Daniel Hendler wurden 2004 an der Berlinale ausgezeichnet. Auch das Werk des kürzlich verstorbenen Fabián Bielinsky muss erwähnt werden. Sein Debüt Nueve reinas (ARG 2000), das sich an den nordamerikanischen Krimi der Siebzigerjahre anlehnt, war ein Kassenschlager, der auch international grossen Anklang fand. Sein letztes Werk El aura (ARG/F/E 2005), eine persönliche Suche in Form eines ungleich düstereren Kriminalfilms, wurde von einigen Kritikern mit dem Kino von Andrei Tarkowski verglichen.

Das argentinische Kino hat in den letzten Jahren neue Wege eingeschlagen und wurde zu einer Bewegung, die dank einer vielfältigen und üppigen Produktion über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde. Zu den bereits etablierten Regisseurinnen und Regisseuren kommen laufend neue Talente hinzu, die das Nuevo Cine Argentino bereichern und eine aussichtsreiche Zukunft versprechen.

Aus dem Spanischen von Gugliermo Vonmoos

Wolf, Sergio, «Las estéticas del nuevo cine argentino», in: Nuevo Cine Argentino. Buenos Aires 2002, S. 30.

Vgl. Aguilar, Gonzalo. Otros mundos. En- sayo sobre el nuevo cine argentino. Buenos Aires 2005.

Vgl. Aguilar, Gonzalo.

Oubiña, David. Estudio crítico sobre La Ciénaga. Buenos Aires 2007, S. 24.

Daniela Fiorini
geb. 1968 in Buenos Aires, ist Titularprofessorin für Semiologie in der Designabteilung der Universität Buenos Aires. Zudem unterrichtet sie seit 1994 Filmrealisation an der Fachhochschule CIEVYC. Sie gewann 1995 den nationalen Essay-Preis und schreibt über Kino, Kommunikation und Semiologie. Sie ist Mitherausgeberin der Reihe Nuevo Cine Argentino, die im Verlag Picnic Editorial erscheint.
(Stand: 2008)
Paula Socolovsky
geb. 1969 in Buenos Aires, ist seit 1994 Dozentin für Design, Kommunikation und Filmrealisation in Universitäten und anderen Institutionen. Schreibt über Semiologie, Kommunikation, Design und Kino. Arbeitet als Designspezialistin für Verlagshäuser in Argentinien und Mexiko. Sie ist Mitherausgeberin der Reihe Nuevo Cine Argentino, die im Verlag Picnic Editorial erscheint.
(Stand: 2008)
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