PHILIPP BRUNNER

SCHWELGEN ODER SCHMUNZELN — VON SCHÖNEN UND LUSTIGEN ENDEN IM FILM

ESSAY

Gibt es ein schöneres Ende im Film, als wenn Liebende mit offenen Armen aufeinander zurennen und sich übermütig «Ich liebe dich» zurufen? Wenn sie eng umschlungen auf der Parkbank sitzen und sich «I love you, I love you, I love you» ins Ohr wispern? Wenn sie sich nach langer Trennung wiedersehen und sich ihrer entbehrungserprobten Liebe mit einem schlichten «Je t’aime» versichern? Wie auch immer die (Wieder-)Vereinigung des Paars inszeniert wird, die Tatsache, dass sich die beiden finden und erklären, gilt weit herum als Inbegriff des Happy Ends: Bei kaum einem Ende lässt sich – so scheint es jedenfalls – wohliger schwelgen als bei einer im Glück gipfelnden Liebesgeschichte, sei sie noch so vorhersehbar oder abgedroschen.

Wahlverwandtschaften

Dieser Eindruck liegt auf der Hand und verstärkt sich insofern, als der Vergleich zwischen Happy End und Liebeserklärung – einem dramaturgischen und einem diskursiven Stereotyp – eine erstaunliche Deckungsgleichheit zutage fördert.1 So gehört zu den Merkmalen des glücklichen Endes zunächst und vor allem dies: Wie sein tragischer Gegenpol ist es ein geschlossenes Ende. Spätestens am Schluss der Erzählung werden alle offenen Fragen beantwortet, Konflikte gelöst und Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt sein, und zwar – im markanten Unterschied zum tragischen Ende – auf eine für die Hauptfiguren vorteilhafte Weise. Der schadlose Ausgang erweist sich als unverzichtbar für ein Happy End, denn möglich ist ja auch der anders gelagerte Fall: Ein ungeliebter Widersacher oder kaltblütiger Schurke behält am Schluss die Oberhand, sodass ein aus seiner Perspektive glückliches Ende vorliegt.

Sollen wir den Schluss als eindeutiges Happy End erleben, muss sich die Problemlösung im Einklang mit vorherrschenden Wertmassstäben vollziehen oder, wie Fritz Lang es formulierte, «auf den Idealen und ethischen Vorstellungen des Publikums gründen».2 Dazu gehört, dass Gutes über Böses siegt, die Heterosexualität des Hauptfigurenpaars unangetastet bleibt oder sich poetische Gerechtigkeit einstellt und für einmal die Schwächeren nicht den Stärkeren unterliegen.3

Bei einem solchen Ende wird durch die Beseitigung von Störfaktoren die Ruhe wiederhergestellt. Auch hierin ähnelt es dem tragischen Ende. Doch während dort der narrative Strang oft durch den Tod (einer) der Figuren zum Abschluss kommt, suggeriert die heitere Variante, dass der Glückszustand für immer andauern wird. «Les gens heureux n’ont plus d’histoire», resümiert Jacqueline Nacache lapidar,4 sodass das Happy End zum toten Punkt wird, «an dem nichts (Altes) mehr geschieht und noch nichts Neues».5 Zugleich hat es nur noch herzlich wenig mit den Alltagserfahrungen des Kinopublikums zu tun, ist «als sehr realitätsfern einzustufen und mit der Märchenformel ‹Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage› zu vergleichen».6

Zu diesen Eigenschaften des Happy Ends gesellen sich solche, die auf die Zuschauerdimension verweisen. So beschränkt sich der Zustand des Glücklichseins nicht auf die Protagonisten des Films, sondern geht auf das Publikum über. Gute Laune, Zufriedenheit und Freude sollen sich im Kinosaal ausbreiten und eine Befindlichkeit herbeiführen, die den Zuschauerinnen und Zuschauern den Seufzer «Was für ein schöner Film!» entlockt.

Doch nicht nur das Happy End, auch die Liebeserklärung neigt – auf der Leinwand wie im Leben – zu Geschlossenheit und Sicherheit, beendet sie doch den instabilen Prozess des Sich-Findens und führt ihn in den Status des Sich-Gefunden-Habens über. Ausserdem erfüllt sie zuallererst die Funktion, den Adressaten der anhaltenden Liebe des Sprechers zu versichern. Dadurch wird auch sie zum toten Punkt, da sie den Beginn respektive die Fortdauer eines Zustands suggeriert, an dem sich – jedenfalls idealerweise – nichts ändert, «bis dass der Tod uns scheidet».

Wie das Happy End steht auch die Liebeserklärung im Einklang mit dominanten Wertvorstellungen: Für Konstellationen, die vom Ideal des heterosexuellen, erwachsenen Paars abweichen, scheint diese Äusserung nicht vorgesehen. Schon grosse Altersunterschiede werden als Herausforderung empfunden, und Liebeserklärungen in gleichgeschlechtlichen Konstellationen oder solchen, die mehr als zwei Personen umfassen, gelten als geradezu suspekt. In Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern wiederum ist ein «Ich liebe dich» nur unter strikter Abwesenheit erotischer Interessen erlaubt.

Schliesslich weist nicht nur das Happy End, sondern auch die Liebeserklärung eine unbequeme Realitätsferne auf: Denn der bürgerliche Liebesdiskurs, der bis heute das mehrheitsfähige Wollen, Sollen und Dürfen in Liebesdingen normiert, verlangt, dass eine Liebeserklärung zugleich aufrichtig, einfach und originell sei. Zwar vermag keine Formulierung, schon gar nicht das typische «Ich liebe dich», diesen sich gegenseitig ausschliessenden Anforderungen zu genügen. Dennoch ist derselbe Liebesdiskurs für die Vorstellung verantwortlich, dass die Liebeserklärung partout gemacht werden soll, ja, dass eine Liebe erst dann überhaupt gilt, wenn sie ausgesprochen ist.7

Das macht die Liebeserklärung im Alltag zum schier aussichtslosen verbalen Hochseilakt. Auf der Leinwand dagegen ist die Lage – wenigstens in manchen Filmen – weniger ernüchternd. Sucht man nach schönen Film-Enden, die mit einer Kombination von Happy End und Liebeserklärung aufwarten, stellt man zunächst fest, dass nicht jedes Happy End ein «Ich liebe dich» enthält. Umgekehrt ist nicht jede Liebeserklärung, die am Schluss erfolgt, eine Freikarte ins Glück. So erfolgen im Melodrama die drei berühmten Worte meist zu spät: weil die Liebe einseitig geworden ist oder der Tod eines oder beider Partner unmittelbar bevorsteht. Von einem freudigen Ende kann in solchen Fällen keine Rede sein und entsprechend geraten wir nicht ins Schwelgen, sondern greifen zum Taschentuch.

Freilich gibt es Genres, für die das Kombinieren von Liebesgeschichte und Happy End sozusagen raison d’être ist: allen voran die romantische Komödie samt ihren Verwandten, der eleganten sophisticated comedy, der scharfzüngigen screwball comedy, der frivolen Sexkomödie und der Ehekomödie.8 Der gemeinsame Nenner dieser im Detail unterschiedlichen Genres liegt im Erzählen vergnüglicher Liebesgeschichten, die zuverlässig mit der (Wieder-)Vereinigung des Hauptfigurenpaars schliessen. Interessant oder gar überraschend ist nicht das Was, denn es lässt sich auf die Formel boy meets girl kondensieren, sondern das Wie. In diesem Punkt haben die Filme Spielraum und entwickeln mitunter grösste Kreativität. Sie erlauben sich mäandernde Schlenker und aberwitzige Umschwünge oder sistieren vorübergehend das Erzählen und legen Phasen des Zeigens ein, die vor allem von physischer Aktion leben: haarsträubende Slapsticks und halsbrecherische Verfolgungsjagden (vor allem in der screwball comedy), Irrungen und Wirrungen bar jeder Logik (in der Verwechslungskomödie), verliebtes Herumtollen auf blühenden Sommerwiesen (in der romantischen Komödie). Am Ende wird sich das Paar gefunden haben:

«Stellt das Happy End den Prototyp der Schlussfindung für die klassische Narration dar, so existiert innerhalb dieser Formel – gleichsam als Quintessenz – eine stereotype Konstellation. Die Schlussbilder zeigen das Paar – Mann und Frau –, das sich nach allerlei Irrungen und Wirrungen doch noch oder wieder gefunden hat, das sich umarmt, das sich küsst, das glücklich ist.»9

«... und sich die Liebe erklärt», könnte man dieser Liste scheinbar bedenkenlos hinzufügen.

Verdoppelungen

Ruft man sich in Erinnerung, dass Happy End und Liebeserklärung über gleiche Eigenschaften verfügen, dann müsste aus der Kombination der beiden eine Verdoppelung dieser Merkmale hervorgehen. Wenn sich also das Paar am Schluss nicht nur in die Arme fällt, sondern sich auch noch die Liebe gesteht, dann dürfte ein solches Ende umso geschlossener, sicherer und realitätsferner wirken, umso stärker dominante Wertvorstellungen umsetzen und als umso schöner erlebt werden. Die folgenden Beispiele zeigen jedoch, dass dies nur bedingt der Fall ist. Als Erstes dient die romantische Verwechslungskomödie The Truth About Cats & Dogs (Michael Lehmann, USA 1996): Da ist zum einen Abby (Janeane Garofalo), die am Radio eine Ratgebersendung zu allen Fragen der Haustierhaltung moderiert («The Truth About Cats and Dogs»). Da ist zum anderen ihre Nachbarin Noelle (Uma Thurman), die nicht nur das Klischee eines Fotomodells ist – naiv, blond, gertenschlank und langbeinig –, sondern auch der pure Gegensatz zur scharfsinnigen, dunkelhaarigen, kleinen und unscheinbaren Abby. Dritter im Bund ist Werbefotograf Brian (Ben Chaplin), der während eines Shootings mit einer Dogge in eine Notfallsituation gerät und in Abbys Sendung anruft.

Die Geschichte entspricht ganz den Gesetzmässigkeiten des Genres: Die Moderatorin verliebt sich in Brian, fürchtet aber, aufgrund ihres Äusseren keine Chance zu haben, und bittet Noelle, sich als Abby auszugeben. Die Strategie funktioniert nur vorübergehend: Prompt verliebt sich Brian in die vermeintliche Abby, während er nachts mit der richtigen prickelnde Telefonate führt – im Glauben, es handle sich um ein und dieselbe Frau. Aber dann wird alles fürchterlich kompliziert, um sich am Ende doch wieder in Wohlgefallen aufzulösen: Während im Hintergrund die Sonne im Meer versinkt, sitzen Brian und die richtige Abby auf der Parkbank, und der Fotograf gesteht der Moderatorin seine Liebe. Man küsst sich, die Kamera kreist um die Liebenden und wir sind eingeladen, emotional in diesen Moment einzutauchen und das Ende des Films zu erwarten.

Doch nichts dergleichen geschieht, stattdessen dauert der Kuss einen Tick zu lange, bevor er unvermittelt von Abby unterbrochen wird:

abby: (ernst) I got to tell you something.

brian: (augenblicklich verunsichert) What?

abby: That night on the phone ...

brian: (Peinlich berührt) Yeah?

abby: (immer noch ernst) ... I’m pregnant.

brian: (lächelt; mit gespieltem Understatement) Darling! (Sie küssen sich erneut.)

Mit dieser kleinen Frivolität knüpfen die beiden an ihre telefonische Liebesnacht an, um gleich darauf aus dem Bild zu verschwinden: Die Kamera fährt hoch und zeigt den Strand hinter den Liebenden, der sich pittoresk im Sonnenuntergang ausbreitet – ein deutlicher Hinweis auf den bevorstehenden Schluss. Doch der Film führt uns wieder an der Nase herum, noch immer ist das Ende nicht erreicht, denn ein zweiter Schlenker wird angehängt. Aus dem Off hören wir die letzten Sätze der Unterhaltung:

brian: Are you sure it was me?

abby: Actually, I don’t know. I made a lot of calls that night.

Auf den ersten Blick scheint dieses kleine Nachspiel überflüssig, denn das glückliche Ende ist ja bereits herbeigeführt: Die zentrale Frage ist beantwortet und der Hauptstrang der Geschichte zu Ende erzählt, alle wichtigen Probleme sind zugunsten der Hauptfiguren beseitigt. «Und wenn sie nicht gestorben sind...», verspricht dieser Schluss, und wir glauben ihm gerne, denn auch auf Seiten der Zuschauer regen sich gute Laune und Zufriedenheit. Warum also dieser Epilog nach einer so idealtypischen Kombination aus Happy End und Liebesgeständnis? Fehlte dem Film etwas, wenn er auf diesen Nachsatz verzichtete? Tatsächlich erfüllt er gleich mehrere unverzichtbare Funktionen.

Auf inhaltlicher Ebene ist er eine erzählerische Miniatur, die uns die Möglichkeit bietet, noch einen Moment lang im diegetischen Universum zu verweilen, obwohl die Story an ihrem Ende angelangt ist und es eigentlich nichts mehr – jedenfalls nichts Substanzielles mehr – zu erzählen gibt. Zugleich liegt im besagten Verweis auf den Telefonsex ein zirkuläres Zurückkommen des Endes auf einen früheren Punkt im Handlungsverlauf. So wird der Eindruck einer in sich abgerundeten, erschöpfend erzählten Geschichte gefestigt, der nichts mehr hinzuzufügen ist. Beide Punkte sind Teil eines narrativen Verfahrens, das im fiktionalen Film durchaus gängig ist, denn oft folgen «der Konfliktklärung noch Szenen, in denen die Handlung ausschwingt, damit wir die wiederhergestellte Ordnung oder neue Harmonie geniessen können».10

Auch die ästhetische Ebene des Nachspiels hat die Funktion, das Ende des Films zu signalisieren und die Entlassung des Publikums aus der Fiktion zu bewerkstelligen: Die Protagonisten verschwinden aus dem Bild, der diegetische Ton wird ausgeblendet, während die extradiegetische Musik ein paar Takte lang als einziges akustisches Ereignis weiterdauert – eine vertraute Endsetzung, die ganz im Zeichen einer Reduktion der Diegese steht.11

Schliesslich erfüllt der Epilog auch auf emotionaler Ebene eine genau umrissene Aufgabe. Er versetzt die Zuschauerinnen und Zuschauer in einen Mix aus Heiterkeit, guter Laune und Freude und bewirkt mit dieser unbekümmerten Stimmung eine Befindlichkeit, die dem Genre der romantischen Komödie angemessen ist. Zum Vergleich: Würde The Truth About Cats & Dogs auf den Epilog verzichten und unmittelbar nach Brians Liebesgeständnis enden, wären andere Gefühle die Folge. Natürlich würden wir den Saal nicht betrübt verlassen, aber eben auch nicht mit einem Schmunzeln, denn wir wären nicht erheitert.

Stattdessen überkäme uns das grosse Sentiment: Wir genössen seufzend die Vereinigung der Liebenden und gäben uns dem milden Rausch der um sie kreisenden Kamera hin. Wir tauchten ein in den hundertfach gesehenen, stets wirksamen moment suprême, der «gleichermassen Zeitlosigkeit und Ganzheit suggeriert, also Glück».12 Mit einiger Wahrscheinlichkeit wären wir zu Tränen gerührt, eine überaus standardisierte Gefühlsreaktion, die das Kino keineswegs erfunden, sondern aus dem Theater der Empfindsamkeit übernommen hat, einem der zentralen Schauplätze bürgerlicher Kultur, an dem nicht nur das Mitfühlen, sondern auch dessen Genuss eingeübt und zur Schau gestellt wurde. Wenn wir also heute bei Liebeserklärungsszenen wässrige Augen kriegen und dies als emotionalen Sternmoment verbuchen, dann schliessen wir nach Hermann Kappelhoff an eine Erfahrung an, die im 19. Jahrhundert der Bürger im Parkett des Theaters machte (und die ihn nicht zuletzt als Bürger auswies): «Noch immer wähnt sich der weinende Zuschauer auf dem Gipfel seiner Subjektivität, auch wenn er innerste Gefühle mit einem Publikum teilt, das regelmässig Millionen zählt und auf alle Erdteile verteilt ist.»13

Würde The Truth About Cats & Dogs bereits vor dem Nachspiel enden, lägen wir mit dieser Befindlichkeit durchaus richtig, denn Brians Liebesgeständnis ist zwar auf sentimentale Weise schön – und bringt uns ja gerade deshalb in schwelgerischen Aufruhr –, aber keineswegs lustig. Ein Ende ohne Epilog taugte demnach für eine Romanze, nicht aber für eine romantische Komödie, die ja genau dieses vergnügliche, federnde Gefühlsangebot erzielen möchte, das die Zuschauer wiederum – bewusst oder unbewusst – erwarten.

Das Humoristische eines Nachspiels kann nicht nur auf inhaltlicher, sondern auch auf formaler Ebene liegen, wie in Charade (Stanley Donen, USA 1963), einem Mix aus Thriller und romantischer Komödie. Nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes wird die junge Reggie Lampert (Audrey Hepburn) von dessen Mördern verfolgt, deren Ziel es ist, eine Viertelmillion Dollar wiederzuerlangen, die sie vor Jahren zusammen mit Reggies Mann gestohlen haben. Einzig der elegante Peter Joshua (Cary Grant) scheint auf ihrer Seite zu stehen. Doch dann tauchen immer mehr Tote auf, und für Reggie wird es zunehmend schwierig, den Überblick zu behalten. Wer zu den Guten oder Bösen gehört, ist fraglicher denn je, da ausgerechnet Joshua, in den sich Reggie verliebt, seine Identität im Lauf der Geschichte dreimal wechselt.

Am Ende schlägt der Film eine letzte Volte: Nachdem sich Reggie damit abgefunden hat, dass ihr Liebhaber weder Peter Joshua noch Alexander Dyle heisst, sondern ein Dieb namens Adam Canfield ist, will sie das in Gestalt wertvoller Briefmarken aufgetauchte Vermögen der amerikanischen Regierung zurückerstatten. Im Büro des zuständigen Angestellten trifft sie jedoch ausgerechnet Canfield, der erneut seinen Namen ändert, sich als Brian Cruikshank vorstellt und im Auftrag der USA undercover nach dem Geld fahndete. Reggies Empörung verfliegt rasch, denn Brian macht ihr einen Heiratsantrag, auf den sie umgehend mit einer Liebeserklärung antwortet:

reggie: Oh, I love you, Adam, Alex, Peter, Brian, whatever your name is. Oh, I love you. ... I hope we have a lot of boys, then we can name them all after you.

brian: Well, before we start that, may I have the stamps? (Sie küssen sich.)

Wie The Truth About Cats & Dogs könnte auch Charade nach dem «I love you» enden. Stattdessen folgt auch hier ein Anhängsel, dessen Witz nicht nur auf verbaler, sondern auch auf visueller Ebene stattfindet. Während Reggie zu ihrer Liebeserklärung ansetzt («Oh, I love you ...»), verkleinert sich in einer flinken Bewegung das Bild und wird zur kleinen Insel inmitten einer schwarzen Fläche. Bei jedem Namen, den sie nun aufzählt («... Adam, Alex, Peter, Brian ...»), erscheint ein weiteres kleines Bild, das uns Cary Grant in allen diesen Rollen zeigt. Am Ende haben wir einen schachbrettartigen split screen vor uns, in dessen mittlerem Feld das anzügliche Ende des Dialogs stattfindet.

Auch hier ist Reggies Liebeserklärung – jedenfalls deren Anfang – zwar schön, aber nicht lustig. Auch hier dient die Fortsetzung dazu, im Publikum die genretypische Vergnügtheit zu erzielen. Darüber hinaus bewirkt sie einen Effekt, der im Vergleich zu The Truth About Cats & Dogs stärker ausgeprägt ist: So trägt der mehrfache split screen überdeutliche Spuren der Enunziation, ein vergleichsweise stark distanzierendes Moment, das an anderen Stellen des Films eher vermieden würde. Am Ende jedoch erweist es sich als vorteilhaft, da dieses ja stets die Funktion hat, die Entlassung des Publikums aus der Fiktion mithilfe inhaltlicher und formaler Signale zu bewerkstelligen.

Nicht immer besteht das Humoristische des Schlussschlenkers aus inhaltlichen oder ästhetischen Komponenten, gelegentlich liegt es auch in einem intertextuellen Seitenhieb. Das zeigt Peter Bogdanovichs What’s Up, Doc? (USA 1972), eine mit Verweisen und Zitaten reich gespickte Hommage an die screwball comedy, in deren Mittelpunkt die überdrehte Judy (Barbra Streisand) und der kreuzbrave Howard (Ryan O’Neal) stehen. Eine schier unerschöpfliche Reihe haarsträubender Turbulenzen führt zu brennenden Hotelzimmern, einer aufgelösten Verlobung, mehreren zu Schrott gefahrenen Autos, einer geborstenen Schaufensterscheibe und einem zerfetzten chinesischen Drachen. Dennoch wird am Ende aus Judy und Howard ein Paar: Die beiden sitzen an Bord eines Flugzeugs, man erklärt sich die Liebe und küsst sich.

Wieder könnte der Film zu Ende sein, wenn Howard sich nicht dafür entschuldigen würde, dass er noch Minuten zuvor geschworen hatte, nichts mehr von Judy wissen zu wollen:

howard: About those things I said, I mean the way I acted back there ... I’m sorry.

judy: (Ernst) Let me tell you something. Love means never having to say you’re sorry (klimpert übertrieben emphatisch mit den Augenlidern).

howard: (Überlegt kurz, dann trocken) That’s the dumbest thing I’ve ever heard.

judy: (Nickt lächelnd. Sie küssen sich.)

Die Pointe besteht darin, dass Streisand eine Dialogzeile aus Arthur Hillers Love Story (USA 1970) wiedergibt, einem rührseligen – schönen – Melodram, das nur zwei Jahre vor What’s Up, Doc? entstanden war und in dem O’Neal eine der Hauptrollen verkörpert hatte. Der Kult gewordene Film erzählt die tragische Geschichte von Oliver (O’Neal) und Jennifer (Ali MacGraw), deren Ehe durch den Krebstod der jungen Frau früh beendet wird. In diesen Hauptstrang sind Elemente des Familiendramas sowie das Motiv des Klassenunterschieds eingeflochten: Das Verhältnis zwischen Oliver und seinem ebenso reichen wie konservativen Vater ist ausgesprochen schwierig, wofür nicht zuletzt Olivers Ehe mit der mittellosen, italienisch-stämmigen Jennifer verantwortlich ist.

Nach zwei Dritteln Filmdauer gerät das junge Paar in einen Streit, dessen Anlass die Vater-Sohn-Beziehung ist. Doch die Versöhnung folgt auf dem Fuss und gipfelt in Olivers Bitte um Verzeihung und Jennifers (diesmal völlig unironischer) Entgegnung: «Love means never having to say you’re sorry.» Damit nicht genug: Am Ende des Films überbringt Oliver seinem Vater die Nachricht von Jennifers Tod. Als dieser zur wenig überzeugenden Beileidsbekundung ansetzt, unterbricht ihn Oliver mit dem tränenerstickten letzten Dialogstück: «Love ... love means never having to say you’re sorry.»

Wenn zwei Jahre später in What’s Up, Doc? derselbe schmachtende Satz unter umgekehrten Vorzeichen geäussert wird, dann liegt darin ein erfrischend frecher Kommentar zu einem Film, den das Publikum noch in bester Erinnerung hatte und der für lange Zeit zum Inbegriff der tragischen Leinwandliebe wurde. Der Effekt von Streisands Augengeklimper und O’Neals Antwort – «That’s the dumbest thing I’ve ever heard» – ist freilich derselbe wie in The Truth About Cats & Dogs und Charade: Er macht ein glückliches zu einem lustigen Ende.

Trugschlüsse

Die eingangs gestellte Frage, ob die Kombination von Happy End und Liebeserklärung zur Verdoppelung gleicher Eigenschaften führt, lässt sich nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Einerseits sorgen in den beschriebenen Beispielen sowohl das glückliche Ende als auch das «Ich liebe dich» jeweils für Geschlossenheit, Sicherheit und Eindeutigkeit: Die Konflikte sind gelöst, die Handlungen abgeschlossen, auch gibt es an der Aufrichtigkeit der Liebeserklärungen nichts zu zweifeln. Der tote Punkt ist erreicht, es gibt nichts mehr zu erzählen. Insofern liegt tatsächlich eine Verdoppelung vor.

Andererseits werden die dominanten Werthaltungen nur im Grossen und Ganzen bestätigt: Zwar herrscht noch immer poetische Gerechtigkeit vor, denn es finden unweigerlich die Richtigen zusammen, und nach wie vor bleibt die Heterosexualität des Liebespaars gewährleistet. Aber diese Normvorstellungen werden durch die spritzige Note der besagten Nachspiele ergänzt und erhalten dadurch eine andere Tonalität. Vor allem die kleinen Frivolitäten in The Truth About Cats & Dogs und Charade verbinden zwei Sphären miteinander, die der bürgerliche Diskurs – aus dem die Liebeserklärung, wie wir sie heute kennen, hervorgeht – entweder gegeneinander ausspielt oder nur unter ganz bestimmten Bedingungen zu koppeln bereit ist: Liebe und Sexualität. Freilich wird in beiden Filmen Sex nicht im Bild gezeigt, sondern nur im Dialog thematisiert, noch dazu unter den genretypischen Bedingungen der Komik, also ironisch im Fall der telefonischen Liebesnacht (The Truth About Cats & Dogs) und lakonisch im Fall des Kinderzeugens (Charade). Dennoch liegt darin ein launiger Kommentar zu den romantischen, oft sentimentalen, stets idealisierten und daher uneinlösbaren Versatzstücken des bürgerlichen Liebesdiskurses.

Letzten Endes sind die hier vorgebrachten Beispiele Ausdruck eines für die romantische Komödie gängigen Verfahrens: Wird am Schluss die Liebe erklärt, ist der Film nicht zu Ende. Stattdessen folgt ein humoristischer Nachsatz, in dessen kurzem Verlauf sich oft ein neuer Handlungsstrang abzeichnet. Doch ist dieser Strang nur angedeutet, nicht ausgeführt, sodass eine Weiterführung der Erzählung nur als hypothetisches Angebot vorliegt. Was sich auf narrativer Ebene als Koketterie mit einer gewissen Offenheit erweist, fällt auf emotionaler Ebene nicht ins Gewicht: Wir erleben ein solches Ende nicht als offen, es ragt nicht in unseren Alltag hinein, sondern fühlt sich gleichermassen befriedigend wie sättigend an, sodass wir es getrost – und im Idealfall in bester Laune – ad acta legen können.14

Für die Liebeserklärung bedeutet dies, dass sie wie ein musikalischer Trugschluss funktioniert: In sich harmonisch und abgerundet, kommt sie als nach allen Regeln der Kunst geschöntes Ereignis daher, das wir mit angemessenem Schwelgen honorieren. Doch wird uns dieser Moment mit Augenzwinkern verkürzt, denn der Film tut nur so, als wäre er am Schluss angelangt. In Wahrheit dauert er einige Takte länger, in deren Verlauf er zum genrekonformen Ende moduliert, den wirklichen, lustigen Schluss nachreicht und uns mit einem Lachen im Gesicht entlässt.

Die folgenden Ausführungen zum Happy End stützen sich in erster Linie auf Thomas Christen, «Happy Endings», in: Matthias Brütsch et al. (Hg.): Kinogefühle. Emotionali- tät und Film, Marburg 2005, S. 189–203.

Fritz Lang, «Und wenn sie nicht gestorben sind...», in: Montage/av, 12/2/2003, S. 146 (erstmals in Englisch unter dem Titel «Happily Ever After» in: The Penguin Film Review, 5/1948).

Vgl. Felicitas Kleiner, «Paradise Lost. Glücksvisionen bei Friedrich Wilhelm Murnau», in: Susanne Marschall / Fabienne Liptay (Hg.): Mit allen Sinnen. Gefühl und Empfin- dung im Kino, Marburg 2006, S. 91.

Jacqueline Nacache, Le film hollywoodien classique, Paris 1995, S. 104.

Christen (wie Anm. 1), S. 202.

Christen (wie Anm. 1), S. 191.

Vgl. Peter Auer, «Liebeserklärungen. Oder: Über die Möglichkeiten, einen unmöglichen sprachlichen Handlungstyp zu realisieren», in: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Un- terricht, 61, S. 11–31. Vgl. ausserdem Philipp Brunner, «Unsägliche Gefühle. Die Liebeserklärung im Spielfilm», in: Matthias Brütsch et al. (Hg.): Kinogefühle. Emotionalität und Film, Marburg 2005, S. 243–263.

Auch im Melodram steht die Liebesgeschichte (meist) im Zentrum, nur wird dort typischerweise auf ein Happy End verzichtet, obschon die glücklich endende Liebe natürlich Motor der Handlung und Ziel der Figuren ist.

Christen (wie Anm. 1), S. 197 f.

Christine N. Brinckmann, «Ein blinder Fleck und weitere Probleme: Gedanken zu Richard Neuperts ‹virtueller› Kategorie filmischer Enden», in: Montage/av, 12/2/2003, S. 153.

Vgl. Thomas Christen, Das Ende im Spiel- film. Vom klassischen Hollywood zu Antonionis offenen Formen, Marburg 2002, S. 60.

Ilma Rakusa, «Jalousie: Tagtraum: Bewegliche Zeit», in: Catherine Silberschmidt (Hg.), Zeiträume, Zürich 2000, S. 39.

Hermann Kappelhoff, «Tränenseligkeit. Das sentimentale Geniessen und das melodramatische Kino», in: Brütsch et al. (Hg.), Ki- nogefühle. Emotionalität und Film, Marburg 2005, S. 49.

Vgl. Brinckmann (wie Anm. 10), S. 154.

Philipp Brunner
Dr. phil., geb. 1971. Filmpublizist und Dozent für Filmwissenschaft an der Universität Zürich. Autor von Konventionen eines Sternmoments. Die Liebeserklärung im Spielfilm (Marburg 2009), von Texten zum Queer Cinema und zum iranischen Kino sowie zu Marlene Dietrich, Romy Schneider und Tilda Swinton. Seit 2005 Mitglied der CINEMA-Redaktion.
(Stand: 2010)
[© cinemabuch – seit über 60 Jahren mit Beiträgen zum Schweizer Film  ]