ANDREA STAKA

SERKALO (ANDREI TARKOWSKI, UDSSR 1974)

MOMENTAUFNAHME

Margarita Terechowas Nacken ist der sinnlichste Nacken, den ich aus einem Film kenne. Die Kamerafahrt auf ihn dauert lang. Tarkowski nimmt sich Zeit, und als Zuschauerin beginne ich, ihre Muttermale zu zählen, mit ihr zu atmen. Sie nimmt einen Zug ihrer Zigarette, dieser russischen Zigarette, die mich seither fasziniert, und die sie gleichsam edel und leger zwischen den Fingern hält. Ihr Blick ist neugierig und stolz, als sie den Mann über das Feld näher kommen sieht. Sie wünscht sich, es wäre ihr Ehemann, doch sie weiss, dass der nicht mehr zurückkommen wird. Als ich mir den Film unlängst ansah, liess ich mich von den Stimmen verführen: der Erzählerstimme und dem so alltäglichen, witzigen und klugen Gespräch zwischen Mutter/Natalija und dem fremden Mann. Er setzt sich neben sie auf den Holzzaun, es beginnt zu knistern zwischen den beiden. Plötzlich lässt das Holz nach, und sie fallen rücklings zu Boden, er lacht. Augenblicke später nehmen sie Abschied und werden sich nie wieder sehen ... Als ich Serkalo zum ersten Mal anschaute, wusste ich, dass ich etwas Besonderes gesehen hatte. Ich war einem Regisseur begegnet, der es wagte, radikal subjektiv zu erzählen. Tarkowskis Filme treiben mich an, bei meinen Filmen das Persönliche zu suchen.

Andrea Staka
geb. 1973, Autorin und Regisseurin, lebt in Zürich und New York. Ihre wichtigsten Filme sind Hotel Belgrad (1998), Yugodivas (2000), und Das Fräulein (2006). Zusammen mit dem Regisseur und Produzenten Thomas Imbach hat sie 2007 die Okofilm Productions GmbH gegründet.
(Stand: 2008)
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