URSULA VON KEITZ

IMMORTAL BELOVED (BERNARD ROSE, USA/GB 1994)

MOMENTAUFNAHME

Zwei Musiker proben die Kreutzersonate, Anton Schindler hört zu. Auftritt des schon tauben Beethoven, der sogleich Schindlers Andacht stört: «Do you like it? I cannot hear them, but I know, they’re making a hash of it.» Es entspinnt sich ein Frage- und Antwortspiel über die Musik als Ausdruck der mentalen Verfassung ihres Schöpfers. Der Film behandelt dabei Gesagtes und Gespieltes gleichrangig. Wo aber musikalisch auf die gleichgewichtige Anschluss- und Widerrede der Stimmen gesetzt wird, gibt Schindler im Sprachdialog immer mehr zugunsten Beethovens ab. Gary Oldman spielt ihn mit Süffisanz und Dämonie. Ihm gelingt es, die Konkurrenz zwischen Sprache und Musik zu lösen, indem er etwas Falsches tut: «A man is trying to reach his lover», setzt er an, um seine Gedanken beim Komponieren der Sonate zu erläutern, «his carriage has broken down in the rain. The wheels stuck in the mud.» Der verzögerte Anlaut bei «stuck» bringt Wortsprache und Musik für einen Moment zur Deckung. Diese aus der feinsten schauspielerischen Aufmerksamkeit geborene Arabeske kann nur formen, wer hört. Ein Effekt indes, der einen leicht aus dem Sessel hebt.

Ursula Von Keitz
Dr. phil., ist Oberassistentin am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich und Dozentin an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Zahlreiche Aufsätze zur Filmgeschichte und -theorie, insbesondere zum Stummfilm und zu dokumentarischen Formen, zuletzt zu Musik und Stimme im Spielfilm der 1930er-Jahre. Buchpublikationen u. a.: Die Einübung des do- kumentarischen Blicks (Co-Hg., Marburg 2001); Kinogefühle (Co-Hg., Marburg 2005); Im Schatten des Gesetzes (Marburg 2005); Erna Morena (Co-Autorin, München 2005), Mehr als Schein (Co-Hg., erscheint in Zürich/Berlin 2008).
(Stand: 2008)
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