VERONIKA GROB

ASCHENBRÜDER (STEVE WALKER)

SELECTION CINEMA

Nach Steve Walkers Aschenbrüder möchte man sich am liebsten zu einer Wanderung in den nebelverhangenen Jura aufmachen, denn die unbesiedelte jurassische Landschaft wird im lakonischen Roadmovie wunderbar in Szene gesetzt. Aschenbrüder ist der HGKZ-Abschlussfilm der beiden Berner Steve Walker und Markus Heiniger, die gemeinsam mit Lawrence Grimm auch das Drehbuch verfasst haben. Auf dem Set teilten sie sich jedoch die Arbeit: Walker übernahm die Regie, Heiniger die Kamera.

Mit subtilem Humor erzählen sie die Geschichte zweier entfremdeter Brüder, die sich zum ersten Mal seit Jahren an der Testamenteröffnung ihres Vaters wieder treffen. An das Erbe ist jedoch eine Bedingung geknüpft: Die beiden sollen gemeinsam ins Val de Travers reisen, um die Asche des Toten zu verstreuen. Die lange Autofahrt zwingt die beiden mürrischen Herren, sich miteinander auseinanderzusetzen. Unterschiedlicher könnten die Brüder nämlich nicht sein: Während sich der behinderte André, ein Uhrmacher wie sein Vater, liebevoll um Sammlerstücke kümmert, verkauft der grossspurige Endo gefälschte Rolex und prahlt mit seinem BMW. Doch nach und nach fällt sein Lügengebäude in sich zusammen: Der windige Geschäftsmann hat Schulden und befürchtet sogar, seine chinesischen Lieferanten verfolgten ihn bis in den Jura. Zu dumm, dass er die sperrige Pendeluhr, die ihm sein Vater vermachte, achtlos auf einem Feld stehen lässt, denn auf Ebay könnte er damit viel Geld verdienen. Zum Eklat kommt es, als Endo wegen einer Kuh auf der Strasse eine Vollbremse reissen muss und sich der ganze Inhalt der Urne im Auto verstreut. Nun sind die beiden verrussten Gesellen buchstäbliche Aschenbrüder.

Die Geschichte mag ein wenig altmodisch klingen, wurde jedoch äusserst sorgfältig inszeniert. Die einsilbigen und treffsicheren Dialoge, der bedächtige Rhythmus und die visuelle Ausdruckskraft machen den 22-minütigen Kurzfilm zu einem stimmigen Ganzen. Zudem konnten Walker und Heiniger für ihren Abschlussfilm mit Andreas Beutler, Fascht e Familie-Darsteller Andreas Matti und dem Lüthi und Blanc-Ensemblemitglied Hans-Joachim Frick eine professionelle Besetzung engagieren. Aschenbrüder zählt denn auch zu den Überfliegern des HGKZ-Abschlussjahrgangs

2006, wurde zu diversen Festivals eingeladen und vielfach preisgekrönt. Zu den Höhepunkten der Festivalkarriere zählt sicher, dass die beiden Diplomanden auf der Piazza Grande in Locarno in der Sektion Pardi di domani den Silbernen Leoparden entgegennehmen durften.

Veronika Grob
geh. 1971, hat Literaturwissenschaften studiert und arbeitet als Filmredaktorin bei SF DRS. Mitglied der CINEMA-Redaktion seit 2002.
(Stand: 2018)
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